Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Alles zu seiner Zeit
Diamantene Hochzeit: Agathe und Edwin Stöhr blicken auf 60 gemeinsame Jahre zurück
- Heute vor 60 Jahren waren Agathe Maria und Edwin Albert Stöhr bereits einen ganzen Tag verheiratet. In diesem Jahr feierten sie, im Andenken an den Tag der Hochzeit und die sechs gemeinsam verlebten Jahrzehnte, ihre diamantene Hochzeit. Mit einem Dankgottesdienst und einem größeren Fest unter Verwandten, Freunden und Musikerkameraden. Zufrieden über das Erreichte und den Verlauf der 60 Jahre Ehe, hoffen sie auf weitere gute Jahre ohne „schlechte Nachrichten“von Kindern oder Enkeln.
Gut vorbereitet, lebhaft und schmunzelnd erzählen beide aus ihrem großen Schatz der Erinnerungen. Das erste Bild im bereitliegenden Fotoalbum zeigt das junge Paar – noch unverheiratet – unter der Tür des elterlichen Hauses. Er im schwarzen Anzug, weißem Hemd und weißer Fliege, sie im langen weißen Kleid mit modisch kurzem Schleier. Ernst schauen sie ins Objektiv des befreundeten Fotografen.
Die nächsten Fotos, die nächsten Erinnerungen: Eine kleine Musikkapelle – befreundete Musiker aus Altheim, Daugendorf hatte noch keine eigene Musik – marschieren auf der Bundesstraße dem Brautpaar und seinen Gästen voran zum Rathaus. Ein Mittwoch war der 1. Mai 1957. Feiertag, auch damals. An die standesamtliche Trauung schloss sich direkt die kirchliche an. Die Kirche war voll, erinnern sich beide; es sei damals üblich gewesen, dass die Einwohner des Ortes nahezu vollzählig bei einem Traugottesdienst anwesend waren. Und beide sangen im Kirchenchor – er auch noch im Liederkranz –, so dass von dieser Seite ebenfalls zahllose Gäste da waren. „Mit Fahne“, sagt Edwin Stöhr. „Und dann zum Brauttanz in den Engel“, ergänzt seine Frau. Mit dem Hochzeitsmahl in den verschiedenen Räumen des „Engels“. Gegen später seien Freunde und Bekannte aus den umliegenden Ortschaften gekommen. Zum „Goba“, dem Gratulieren mit Überreichen eines Geldgeschenkes. Bis in die Nacht ging das Fest.
Das junge Ehepaar zog ins renovierte und umgebaute Haus seiner Eltern an der Straße nach Riedlingen zu seiner Mutter. „Heimweh“habe sie gehabt am Anfang, Heimweh nach dem eigenen Elternhaus, auch in Daugendorf, jedoch am anderen Ende, an der Donau. Nach und nach habe sich das gebessert, auch mit der Geburt der beiden Söhne und der Tochter zwischen 1958 und 1967. Die Landwirtschaft haben sie gemeinsam mit seiner Mutter weiter betrieben – bis im Juli 1965 der große Hagel kam mit einem totalen Ernteausfall. Alles sei kaputt gewesen. Nicht einmal Stroh oder Grasschnitt habe es mehr gegeben. Mit mehreren anderen Landwirten habe er sich beraten, wie das Leben weiter gehen sollte, sagt Edwin Stöhr. Und so entschloss er sich eine Arbeitsstelle anzunehmen – im Lagerhaus in Riedlingen und anschließend für mehrere Jahre in einer Landmaschinenhandlung in der Nähe des Bahnhofs. 1970 habe die Bahn Leute gesucht und Stöhr wurde vom Bahnhofsvorstand angeworben, berichtet er. Nach verschiedenen Zusatzausbildungen arbeitete er bis 1990 bei der Bahn. Heute sei er froh über die damalige Entscheidung, sogar über das Hagelunwetter. „‘s hat aufwärts g’haglat“, sagt er, um die Situation zu beschreiben. Für seine Frau sei es jedoch schwer gewesen, besonders während seiner Ausbildung, als er ein ganzes Jahr zur Schulung weg war und die Kinder noch klein waren. „Und sie musste d Landwirtschaft schmeißa.“Bis 1993 die letzte Hausschlachtung war, weiß sie noch.
Und wo haben sich die beiden kennen gelernt? Gekannt haben sie sich schon als Kinder; in der Oberklasse der zweiklassigen Volksschule in Daugendorf saßen sie hintereinander, berichten sie schmunzelnd, da sie altersmäßig nur ein halbes Jahr auseinander sind. Die Mädchen seien immer hinten gesessen. Und vertragen hätten sie sich damals nicht. Aber bei einem besonderen Fest im Dorf, dem „Häge-Heua“mit Einkehren und Vesper für die beteiligten jungen Leute, habe es dann gefunkt.
Als „Apfelman“bekannt
Als „Apfelmann“ist Edwin Stöhr vielen Menschen heute bekannt und in Erinnerung: In seinem elterlichen Haus und in der Garage betrieb er viele Jahre einen kleinen Obst- und Kartoffelhandel über die Straße. Ihre schönste Zeit jedoch beschreiben beide übereinstimmend ab den 90er Jahren, als die großen Sorgen weg waren und sie auch verreisen konnten. Mit Bus und Bahn waren sie in Europa unterwegs von Norwegen bis Ungarn, in Moskau, St. Petersburg und Lugano, mit Kreuzfahrtschiffen auf der Rhone und der Donau. Edwin Stöhr sagt: „Und jetzt sagt jedes: Daheim isch’s au schee.“Und Agathe Stöhr ergänzt: „Alles zu seiner Zeit.“