Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die meisten Minijobs gibt es in Baden-Württemberg
Nicht selten werden geringfügig Beschäftigte um Leistungen gebracht, die ihnen zustehen
- Knapp 1,1 Millionen Menschen gelten in Baden-Württemberg als geringfügig Beschäftigte – in keinem anderen Bundesland sind Minijobs so verbreitet wie hier. Wer im Schnitt pro Monat nicht mehr als 450 Euro verdient, ist in der Regel von sozialversicherungspflichtigen Abgaben befreit. Das klingt für manchen verlockend – aber nur auf den ersten Blick. Denn nicht selten werden Minijobber um Leistungen gebracht, die ihnen zustehen.
Für Minijobber gilt der gesetzliche Mindestlohn von 8,84 Euro die Stunde – laut einer Studie der HansBöckler-Stiftung wurden vor zwei Jahren 44 Prozent der Minijobber unter dem Mindestlohn bezahlt. Nach einer Untersuchung des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung bekam im Jahr 2016 mehr als die Hälfte der Minijobber keinen bezahlten Urlaub, obwohl es einen Anspruch darauf gibt. Der Lohn muss im Krankheitsfall weitergezahlt werden, doch 29 Prozent erhielten bei Krankheit kein Geld.
Angst vor Konflikten
„Diese Zahlen überraschen mich nicht. Wir bekommen immer wieder Anfragen wegen solcher Probleme. In bestimmten Branchen wie zum Beispiel der Gastronomie sind die Missstände besonders groß“, sagt Petra Sommer, Fachberaterin bei der Minijob-Zentrale Essen. Bei dieser Behörde sind bundesweit rund sieben Millionen Minijobber registriert. Nach Sommers Erfahrung kennen sie ihre Rechte oft nicht oder haben Angst vor einem Konflikt mit dem Arbeitgeber. „Sie bringen Leistung. Fordern Sie Ihre Wertschätzung ein“, empfahl sie kürzlich den 50 Teilnehmern einer Informationsveranstaltung in der Agentur für Arbeit in Celle. „Wenn ein Unternehmen sich nicht an die Regeln hält, sollte man Kontakt mit der MinijobHotline des Bundesarbeitsministeriums aufnehmen.“Die Telefonnummer lautet 030/2 21 91 10 05.
Wichtig sei es, die eigenen Arbeitszeiten sowie die Lohnzahlungen aufzuschreiben, um Verstöße gegen geltendes Recht nachweisen zu können. Eigentlich ist es die Aufgabe des Zolls, Betriebe zu überprüfen und bei zu geringer Entlohnung Geldbußen zu verhängen. Doch die Zahl der kontrollierten Firmen ist in den letzten Jahren wegen fehlender Zoll-Mitarbeiter stetig gesunken.
Nach dem aktuellen Quartalsbericht der Minijob-Zentrale ist für knapp fünf Millionen Menschen der Minijob die einzige Arbeit. Der durchschnittliche Verdienst lag 2015 im gewerblichen Bereich bei monatlich 300 Euro. Gewerbliche Minijobs gibt es vor allem im Einzelhandel (846 000 Stellen), im Gastgewerbe (825 000), im Gesundheits- und Sozialwesen (711 000) und in der Gebäudereinigung (469 000). 303 000 geringfügig entlohnte Beschäftigte arbeiten in Privathaushalten, im Schnitt verdienen sie dort 182 Euro im Monat. Gerade für Frauen, die 60 Prozent der geringfügig Beschäftigten stellen, ist der Minijob der Weg in die Altersarmut.
Knapp eine Million Minijobber sind im Rentenalter – innerhalb von zehn Jahren hat sich der Anteil der erwerbstätigen 65- bis 70-Jährigen in Deutschland verdoppelt. Viele bessern sich so ihre geringen Altersbezüge auf. In Westdeutschland liegt der Anteil der Minijobber deutlich höher als im Osten. Die Unterschiede sind groß: Während in BadenWürttemberg auf 1000 Einwohner genau 96 Minijobber kommen, sind es in Sachsen-Anhalt lediglich 42.
In Baden-Württemberg liegt die Zahl der Minijobs im gewerblichen Bereich in den vergangenen zehn Jahren stabil bei gut einer Million. Gleichzeitig werden immer mehr Minijobs in Privathaushalten angemeldet, sowohl bundesweit als auch in Baden-Württemberg, wo sich die Zahl aus dem Jahr 2007 (20 000) bis heute verdoppelt hat (40 000).