Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Nennt das, wie ihr wollt!
Die Leitkultur ist wieder da. Doch es ist nicht die muffige Debatte aus dem Jahr 2000, die unter dem Vorzeichen einer nationalen Rückbesinnung geführt wurde, um dem rechten Flügel der CDU entgegenzukommen und noch weiter rechts Stehenden Munition zu nehmen. Nein, heute ist diese Diskussion im Zuge der Zuwanderung von Millionen eine selbstverständliche Standortbestimmung Deutschlands, das seine Regeln und Anforderungen an Neuankömmlinge formulieren will – und auch muss.
Wer sich in Deutschland nicht die Hand geben will, wer auf seiner Burka besteht oder darauf, dass Frauen weniger wert sind als Männer, wird sich nicht integrieren können. Und deshalb besteht heute auch die parteiübergreifende grundsätzliche Einigkeit, gleich ob es Thomas de Maizière oder Cem Özdemir formuliert: Prägende Wertvorstellungen Deutschlands wie Demokratie, Gleichberechtigung, Meinungs- und Religionsfreiheit müssen anerkannt werden, von jedem, der in Deutschland leben will.
Der Schriftsteller Adolf Muschg hat einmal gesagt: „Der Westen braucht keine Leitkultur, er ist eine.“Einerseits bestätigen dies jeden Tag die vielen Menschen, die in Europa Schutz und Zuflucht suchen. Auf der anderen Seite aber stellt ein neuer Islamismus die sicher geglaubte Überlegenheit demokratischer Systeme und westlicher Werte infrage.
Hierauf muss man reagieren und klarstellen, dass die grundlegenden Werte, auf welche sich die Deutschen auch in ihrer Verfassung geeinigt haben, verbindlich sind und Gepflogenheiten respektiert werden müssen. Ob man dies nun deutsche Leitkultur nennen will oder nicht, ist nebensächlich.
Als vor 17 Jahren Friedrich Merz den Begriff der deutschen Leitkultur in die politische Diskussion einführte, wollte Angela Merkel lieber von „prägenden Wertvorstellungen“sprechen. Bundestagspräsident Norbert Lammert hat im letzten Jahr dazu eine - wie so oft kluge - Empfehlung gegeben. „Nennt das, wie ihr wollt, aber vergesst nicht, worum es geht."