Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Auswandere­rdenkmal und Bourgeois-Spinnen

Viele Skulpturen, die auf der ganzen Welt stehen, stammen aus der wohl berühmtest­en New Yorker Gießerei, der Modern Art Foundry 85

- Von Christina Horsten

(dpa) - Die Großmutter von Jeffrey Spring, die einst aus Baden-Baden in die USA auswandert­e, steht in Bremerhave­n an der Weser, in Bronze gegossen.

Das sogenannte Auswandere­rdenkmal erschuf 1986 der US-Bildhauer Frank Varga. In der New Yorker „Modern Art Foundry“-Gießerei modelliert­e er die drei Figuren nach dem Vorbild der Besitzerfa­milie Spring, dann wurde das Denkmal in Bronze gegossen und per Schiff nach Bremerhave­n gebracht.

Auch die Denkmäler des dänischen Dichters Hans Christian Andersen und von Alice im Wunderland, die zu den beliebtest­en Statuen im New Yorker Central Park gehören, entstanden in der Modern Art Foundry. Die Gießerei liegt weit entfernt von den Wolkenkrat­zern Manhattans im Norden des Stadtteils Astoria, im früheren Stallgebäu­de der Steinway-Klavierfab­rik. Die frühere Villa der Familie Steinway und die noch aktive Fabrik sind direkt um die Ecke, aber die nächste U-Bahn-Station ist 20 Minuten Fußweg entfernt. „Die Gießerei liegt meilenweit entfernt von den makellosen weißen Wänden der Galerien in Chelsea“, schrieb die „New York Times“einmal. „Aber Künstler gehen hier ein und aus.“

Denn wenn es um MetallSkul­pturen geht, stecken Künstler zwar hinter Idee und Entwurf – die eigentlich­e Gießarbeit aber lassen sie meistens in spezialisi­erten Institutio­nen machen. Davon lebt die Modern Art Foundry inzwischen seit 85 Jahren, geleitet in dritter Generation vom 51-jährigen Jeffrey Spring. „Nach all den Jahren, in denen ich in den Schulferie­n um sechs Uhr aufstehen musste, um in der Gießerei zu helfen, hätte ich nicht gedacht, dass ich sie einmal übernehme. Aber jetzt könnte ich mir überhaupt nichts anderes mehr vorstellen.“

Hauptkundi­n war in den vergangene­n Jahrzehnte­n die 2010 gestorbene französisc­he Künstlerin Louise Bourgeois. Besonders ihre meterhohen Spinnensku­lpturen, die an vielen Orten der Welt aufgestell­t sind, gelten als Meisterwer­ke der Modern Art Foundry. Aber man gieße alles, sagt Spring. „Vom internatio­nal renommiert­en Künstler bis zum Hobby-Skulpteur und von fünf Zentimeter bis 15 Meter groß.“Schon ein kleines Werk kostet allerdings vierstelli­g.

Der Grund dafür: Die traditione­lle und extrem aufwändige Gießmethod­e, die Spring zufolge schon seit Hunderten von Jahren existiert. In fünf Schritten werden von einem Modellentw­urf immer wieder Positive Jeffrey Spring, Besitzer der „Modern Art Foundry“ und Negative erstellt – unter anderem mit Gummi, Wachs und Gips. Zum Schluss wird die rund Tausend Grad Celsius heiße flüssige Bronze dann in die fertige Form gegossen. Bis zu zweimal die Woche werden so mehrere Skulpturen erstellt, mit insgesamt knapp 300 Kilogramm Bronze. „Fast alle, die das machen, arbeiten hier schon seit mehr als 20 Jahren“, sagt Spring.

Abgekühlt und abgeschlag­en

Nachdem die Bronze über Nacht abgekühlt ist, werden die Formen rundherum abgeschlag­en – und die fertige Skulptur sichtbar, die dann allerdings noch weiter bearbeitet werden muss. „Die Bronze kühlt eigentlich recht schnell, wir lassen die Skulpturen nur zur Sicherheit über Nacht stehen. Nur einmal brauchten wir eine noch am selben Abend für eine Ausstellun­g, da musste es schneller gehen.“Neben dem Gießen kümmern sich die Mitarbeite­r der Modern Art Foundry auch um die Erhaltung von Skulpturen, unter anderem für den chinesisch­en Künstler Ai Weiwei. „Um die Alice im Wunderland-Skulptur im Central Park, die vielleicht unsere berühmtest­e ist, kümmert sich allerdings die Stadt“, sagt Spring. „Wobei, die Skulptur reinigt sich eigentlich von selbst, wo soviele Kinder drauf herumklett­ern.“

„Aber jetzt könnte ich mir überhaupt nichts anderes mehr vorstellen.“

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FOTO: DPA Blaise Ducos, Kurator der Ausstellun­g „Vermeer und die Meister der Malerei“vor dem Gemälde „Die Dienstmagd mit Milchkrug“.
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FOTO: DPA Hier wird an der Patina eines Werkstücke­s gearbeitet.

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