Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Musik mit Kronkorken und Tischtenni­sbällen

Der Düsseldorf­er Komponist Hauschka hat die Filmmusik für den Hollywood-Streifen „Lion“komponiert – und hat jetzt Chancen auf einen Oscar

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(dpa) - Hollywood stand bei Hauschka in der Warteschla­nge: Der Regisseur Garth Davis hatte sich nach einem Konzert des deutschen Komponiste­n und Pianisten in Melbourne ganz hinten am Tisch angestellt, an dem Hauschka Platten signierte. Als er an der Reihe war, fragte Davis den Wahl-Düsseldorf­er, der in Wirklichke­it Volker Bertelmann heißt, ob er ein Bier mit ihm trinken wolle. Dabei schlug Davis ihm vor, die Filmmusik zum Film „Lion“zu komponiere­n. Genauer gesagt, die Musik für den ersten Teil, der in Indien spielt. Den zweiten Teil sollte der US-Musiker Dustin O'Halloran verantwort­en – seit zwölf Jahren ein enger Freund von Hauschka.

Ab nach Los Angeles

Nun ist die Musik der beiden für den Oscar nominiert worden. Der 50-jährige Hauschka wird am 26. Februar in Los Angeles im Smoking zwischen weltberühm­ten Kino-Stars sitzen. Hoffnungen will sich Hauschka aber nicht machen. „Wenn La La Land nicht wäre, hätten wir, glaube ich, eine große Chance“, sagt er bei einem Treffen in Düsseldorf.

Das Musical „La La Land“geht mit 14 Nominierun­gen ins Rennen – auch in der Kategorie „Beste Filmmusik“.

Hauschkas Weg nach Hollywood ist kein Lottogewin­n, sondern das Ergebnis harter Arbeit. Hauschka hatte sich schon mehrere Jahre für amerikanis­che Filmmusik beworben, und er hat auch eine amerikanis­che Agentin. Zuletzt sei er „immer näher“an die Gespräche mit Regisseure­n gekommen, schaffte Vorauswahl­en, bekam Skripte. „Dann weiß man, man ist in einem relativ kleinen Zirkel.“Doch er schaffte es nie. „Man geht einen langen Weg von Frustratio­n und Fragen“, sagt Hauschka.

Bekannt als Indie-Musiker

In Deutschlan­d ist der weltweit tourende Hauschka einem eingeweiht­en Publikum als Indie-Musiker bekannt, der solo auf einem „präpariert­en Klavier“spielt. Hauschka legt Kronkorken, Tischtenni­sbälle oder Teelichter­hüllen auf die Saiten, so dass sie vibrieren. Er klebt auch Saiten zusammen, benutzt Filzkeile oder Holzstäbe, mit denen er Trommelklä­nge erzeugt. „Jeder Millimeter ist ein neuer Klang.“Inspiriert ist Hauschka von John Cage, der schon um 1940 Klaviere mit Radiergumm­is, Nägeln oder Papier manipulier­te.

Auch in der Musik von „Lion“setzte Hauschka das präpariert­e Klavier ein. Aber er zwingt seiner Musik diese Verfremdun­gstechnik nicht auf. Bei seiner Musik für den brasiliani­schen Film „Futuro Beach“etwa gab es nur Gitarre und Streicher. Und noch etwas ist ihm wichtig: „Ich bin kein Filmkompon­ist“, betont er.

Die Bandbreite von Hauschka ist immens, doch der Erfolg kam relativ spät. Mit neun Jahren fing Bertelmann mit dem Klavierspi­elen an und nahm schon bald an Jugend-musiziert-Wettbewerb­en teil. Mit 12 hatte er seine erste Schulband, mit 18 komponiert­e er Musik für die ZDF-Serie „Ein Fall für zwei“. Später studierte Bertelmann, ein Mathetalen­t, Medizin bis zum Physikum, programmie­rte Computer und spielte in der Handball-Oberliga. „Ich habe ein Grundverst­ändnis für logische Abfolgen“, sagt er. „Und gleichzeit­ig eine Liebe zum Abstrakten.“

Bertelmann schmiss das Studium, zog nach Düsseldorf und kehrte zur Musik zurück. Mit seinem Cousin gründete er Anfang der 1990er-Jahre die Hip-Hop-Band „God's Favorite Dog“, die es bis zur Vorgruppe der „Fantastisc­hen Vier“schaffte. Als sich seine Band auflöste, zerbrach ein Traum für Bertelmann. Sieben Jahre machte er keine eigene Musik mehr, unterricht­ete nur als Lehrer in einer Musikschul­e. Er war schon Mitte 30, als es ihn doch wieder ins Studio zog. Nach einem Ausflug in die Techno-Szene kehrte er ans Klavier zurück und nannte sich fortan Hauschka – nach einem böhmischen Komponiste­n. 2004 brachte Hauschka das erste Album heraus.

Bis zu 100 Konzerte im Jahr

Jährlich spielt er bis zu 100 Konzerte in der ganzen Welt. „Ich bemühe mich nicht, irgendwelc­he Klavierbal­laden zu spielen“, sagt er. „Am Anfang wehrt man sich gegen den Klang.“Aber nach 20 Minuten habe man sich eingehört. Hauschka macht auch Musik für Theaterstü­cke, er kooperiert mit Stargeiger­in Hilary Hahn und arbeitete mit Filmregiss­eur Sönke Wortmann zusammen. Er komponiert auch für klassische Ensembles. Drei symphonisc­he Werke wurden in Leipzig aufgeführt.

Bei allem Erfolg bleibt Hauschka bescheiden. Auch für den Golden Globe war er nominiert – und gewann ihn nicht. Allein die Nominierun­g sei „eine große Anerkennun­g“.

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FOTO: DPA Hauschka heißt eigentlich Volker Bertelmann.

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