Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Dem Eindruck entgegenwirken
Die Bürger sind verunsichert und fordern Antworten auf den Anschlag in Berlin. Darauf wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Silvesterbotschaft eingehen müssen. Das Attentat von Anis Amri hat den verheerenden Anschein erweckt, der Staat habe nicht genug getan, um die Menschen vor dem Terror zu schützen. Setzt sich dieser Eindruck fest, werden diejenigen an den Rändern des politischen Spektrums gestärkt, die Intoleranz, Spaltung und Angst schüren. Gerade deswegen ist es wichtig, dass die demokratischen Parteien nicht versuchen, sich im aufziehenden Bundestagswahlkampf mit gegenseitigen Vorwürfen zu attackieren und mit griffig klingenden Scheinlösungen zu überbieten.
So schmerzlich es ist: Für eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung aller 550 Gefährder aus dem islamistischen Bereich wären mehr als 20 000 Sicherheitsbeamte notwendig – das ist wohl nicht zu leisten. Eine Obergrenze für Flüchtlinge mag zwar der Sorge begegnen, der Staat erleide einen neuen Kontrollverlust. Doch sind die Asylregeln längst so verschärft worden, dass sich der Herbst 2015 kaum wiederholen dürfte. Überdies gibt es viele in Deutschland geborene Konvertiten, von denen Gefahr ausgehen könnte und die nichts mit Flüchtlingen zu tun haben.
An anderer Stelle zeigt der Fall Amri dringenden Handlungsbedarf: Die Bundesregierung hat zu lange einfach hingenommen, dass Maghreb-Staaten wie Tunesien ihre straffällig gewordenen Bürger nicht zurücknehmen. Warum nicht die Unterstützung für diese Länder kürzen, wenn sie gezielt blockieren?
In akuter Erklärungsnot sind auch die Grünen, die die Einstufung dieser Staaten als sichere Herkunftsländer verhindern und so schnellere Abschiebungen erschweren. Und auch die moderne Videoüberwachung kann dabei helfen, Gefahrensituationen zu erkennen, bevor es zum Äußersten kommt. Wer sich aber – wie der Berliner Senat – gegen ihre stärkere Anwendung sträubt, verletzt das Sicherheitsbedürfnis seiner Bürgerinnen und Bürger.