Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ausreißer Voß bleibt unbelohnt
Am ersten Tag der Tour de France fährt der Rostocker ins Bergtrikot, am zweiten wird er erst spät wieder eingeholt
(dpa) - Peter Sagans Teamchef Oleg Tinkoff sprang in die Luft und schrie immer wieder „Ja, ja, ja“. Der Jubel des russischen Milliardärs im Ziel der 2. Etappe der 103. Tour de France kannte am Sonntag keine Grenzen: Weltmeister Sagan sicherte sich nach 183 Kilometern den Tagessieg und das erste Gelbe Trikot seiner Laufbahn. Der Slowake löste Ex-Weltmeister Mark Cavendish an der Spitze der Gesamtwertung ab. Der Brite hatte sich am Samstag das „Maillot Jaune“geholt und die hoch gehandelten deutschen Hoffnungsträger Marcel Kittel und André Greipel in den Schatten gestellt.
Ein Tag später in Cherbourg triumphierte am Ende einer 1,9 Kilometer langen Steigung Sagan – in den vergangenen vier Jahren in Paris Träger des Grünen Trikots – vor dem Franzosen Julien Alaphilippe und den Spanier Alejandro Valverde. „Ich bin zum ersten Mal in Gelb – das ist ein sehr schönes Trikot und ganz sicher etwas Besonderes“, sagte Sagan.
Paul Voß aus Rostock verlor sein am Vortag errungenes Bergtrikot, obwohl er mit drei Mitstreitern mehr als 175 Kilometer an der Spitze fuhr. Aber er konnte nicht punkten – trotz seines Teamkollegen Cesare Benedetti an seiner Seite. Sein Begleiter Jasper Stuyven aus Belgien, der Voß im rotweiß-gepunkteten Trikot ablöste, wurde in einem packenden Sekundenspiel um Gelb und den Tagessieg im Finale erst 400 Meter vor dem Ziel überholt. Er war neben dem erneut gestürzten Spanier Alberto Contador der tragische Held des Tages.
Voß träumte sogar von einem Etappensieg. „Ehrlich gesagt, glaubte ich, das wird was. Es ist schade, aber ich habe alles probiert“, sagte der Wasserträger. „Jetzt brauche ich erst mal zwei Tage Ruhe, dann versuche ich es wieder.“
Contador hingegen hat seinen Traum vom dritten Tour-Sieg wohl schon ausgeträumt. Auf dem Weg nach Cherbourg verlor der schwer Angeschlagene am Sonntag 48 Sekunden auf die weiteren Top-Favoriten, Vorjahressieger Chris Froome und den zweifachen Tour-Kronprinzen Nairo Quintana aus Kolumbien.
Bereits am Vortag hatte es Contador schwer erwischt. Der zweifache Toursieger war 79 Kilometer vor dem Ziel an einer Verkehrsinsel weggerutscht. Seine Ärzte hatten schwere Abschürfungen und Prellungen an Schulter, Becken und Ellenbogen diagnostiziert. Am Sonntag ging er erneut zu Boden. „Diesmal erwischte es mich auf der anderen Körperseite. Ich hoffe, das war der letzte Sturz, mein Körper ist angeschlagen“, sagte er im Etappenziel.
Am Vorabend hatte Greipel versucht, seinen Schmerz mit dem Trikot der Fußball-Nationalmannschaft am Körper im Fernsehsessel zu lindern. Auch wenn der Jubel vom Nachbartisch, an dem Cavendish seinen großen Tag mit dem insgesamt 27. Etappensieg feierte, seine Laune im Teamhotel nicht gerade gehoben hat.
Greipel hatte sich bei den TourOrganisatoren über die Absperrgitter beschwert, die die Zielgerade beengten. Sie waren am Samstag womöglich verantwortlich für den Sturz mehrerer Fahrer 500 Meter vor der Ziellinie; er hatte die Sprinter in der entscheidenden Phase gehörig aus dem Rhythmus gebracht. „Ich habe auch die Gitter berührt und wäre fast gestürzt. Mehr als Platz vier war nicht drin“, ärgerte sich der dreimalige deutsche Meister, der seine Premiere in Gelb weiter verschieben muss.
Kittel nahm die verpasste Chance, zum dritten Mal nach 2013 und 2014 den Tour-Auftakt in Gelb zu beenden, eher gelassen. „Es hätte alles stimmen müssen, aber es hat einfach nicht gepasst. Ich weiß, dass die Mannschaft stark ist. Wir versuchen es wieder“, erklärte der blonde Thüringer, der auf dem Streckenplan noch mindestens fünf weitere Möglichkeiten für die Sprinter ausgemacht hat.