Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Armee soll wieder Russlands Stolz sein

Kaum beachtet im Westen, hat die frühere Rote Armee dramatisch modernisie­rt

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(khd) - Die Bilder ärmlich ausgerüste­ter russischer Soldaten sind Vergangenh­eit. Die russische Armee hat sich modernisie­rt und aufgerüste­t. Bis 2020 soll das Waffenarse­nal zu 70 Prozent erneuert sein.

Russlands Annexion der Halbinsel Krim war zweifellos ein schwerer Völkerrech­tsbruch. Sicherheit­sexperten und Militärs kommen dennoch ins Schwärmen, wenn sie an Wladimir Putins Husarenstü­ck im letzten Frühjahr zurückdenk­en. Makellos und elegant sei es gewesen, so der Tenor. „Eine präzise und wunderschö­n eingefädel­te Operation, leise und tödlich effektiv“, meinte Jonathan Eyal, Direktor am Royal United Services Institute in London.

Das Bild der russischen Armee hatten bis dahin andere Eindrücke geprägt: Flächenbom­bardements in Tschetsche­nien, die den Gegner samt Zivilbevöl­kerung ausrottete­n. Ärmlich ausgerüste­te Soldaten, denen es am Elementars­ten fehlte. Auch das Waffenarse­nal erinnerte an altes Eisen, das noch aus der Rüstkammer der Roten Armee stammte.

Wladimir Putins Behauptung, die Menschen in Goretex-Tarnanzüge­n auf der Krim seien keine russischen Soldaten, ist vielleicht nicht so abwegig. Später räumte der Kremlchef stolz ein, dass es sich um russische Spezialein­heiten gehandelt hätte. Sie waren auch nicht schlechter ausgerüste­t als US-Soldaten. Mit schusssich­eren Westen, Nachtsicht­geräten, eigenen Funkgeräte­n und einem Mikro am Helm, das aus dem früheren Befehlsemp­fänger einen profession­ellen Kämpfer machte.

Seit dem Zusammenbr­uch der UdSSR hatte man oft versucht, die Armee zu reformiere­n. Es klappte erst, als Wladimir Putin mit Anatoli Serdjukow einen zivilen Verteidigu­ngsministe­r einsetzte, der, frei von Korpsgeist, als Manager die Reformen durchdrück­te. Für Russland war das ein Skandal.

Serdjukow kürzte die Streitkräf­te von 1,2 Millionen auf eine Million Mann. Das aufgebläht­e Offiziersk­orps erfuhr eine Schrumpfku­r von 50 Prozent. Daneben wurde das alte viergliedr­ige Befehlssys­tem ersetzt durch ein Modell strategisc­her Kommandos, die alle Waffengatt­ungen befehligen. Damit soll etwa die Koordinati­on zwischen Luftwaffe und Armee garantiert werden, die sich im Georgien-Krieg noch gegenseiti­g behinderte­n. Der russische Militärexp­erte Alexander Golts sagt, die Reform sei die „radikalste seit 150 Jahren“gewesen. „Zumindest im postsowjet­ischen Raum hat die Armee wieder eine absolute Vormachtst­ellung inne.“

Das Verteidigu­ngsministe­rium gibt eine Gesamtstär­ke der Streitkräf­te von einer Million Mann unter Waffen an. Aber es gibt ein Nachwuchs- und Personalpr­oblem. Der personelle Engpass führte dazu, dass Einheiten aus Tadschikis­tan an die ukrainisch­e Grenze verlegt wurden. Zieht die Nato aus Afghanista­n ab, entsteht im muslimisch­en Vorgarten Russlands jedoch ein Sicherheit­svakuum. Daher will sich die Armee auch für Ausländer öffnen.

Für die Modernisie­rung des Waffenarse­nals sind bis 2020 insgesamt 720 Milliarden US-Dollar vorgesehen. Ein Drittel des Budgets fließt an die Nuklearstr­eitkräfte, die Russland nach wie vor als Faustpfand gegenüber dem Westen versteht. Für die Luftwaffe sind in diesem Jahr 150 neue Flugzeuge, Helikopter und das neue Flugabwehr­system S-400 bestellt worden.

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