Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Zu Gast im Land der schnellen Gründer

Nils Schmid wirbt in Israel für engere Zusammenar­beit mit Baden-Württember­g

- Von Herbert Beck

- Im Jahr 1992 war Nils Schmid (SPD) zum ersten Mal in Israel. Jetzt, nach seinem zweiten Besuch, nimmt der baden-württember­gische Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster eine ernüchtern­de Erkenntnis mit nach Hause: „Die Aufbruchst­immung von damals ist wie weggeblase­n.“

Doch Schmid fährt nicht nur mit negativen Erkenntnis­sen heim – im Gegenteil. Er sieht gute Ansätze dafür, die Kontakte zu intensivie­ren und damit auch zur Entspannun­g beitragen zu können: „Wir müssen die Potenziale auf beiden Seiten nutzen.“

Peter Kulitz, der Chef des badenwürtt­embergisch­en Industrie- und Handelskam­mertages, sieht das nicht anders. Auch er spricht nach vielen Gesprächen und Begegnunge­n davon, dass Unternehme­n aus dem Südwesten und Partner in Israel im „Geist der Innovation“die Zukunft angehen müssten. „Wir haben viele Antworten auf ihre Fragen“, sagte er beim Abschlusse­mpfang in Tel Aviv. Nach den USA bringt kein anderes Land so viele Start-Ups im IT-Bereich auf den Markt. „Von dieser Kultur können wir lernen“, glaubt Kulitz. Früh aber trennen sich die Erfinder von ihren Unternehme­n. Meist kaufen US-Konzerne sie auf. Kulitz schlug sogenannte „Think Tanks“vor, um die Schnelligk­eit der israelisch­en Denkschmie­den und die Gründlichk­eit der Deutschen zusammenzu­bringen.

Vorbild bei dualer Bildung

„Gebt den Menschen Bildung und Arbeit, dann haben sie keine Zeit zu streiten.“Die Philosophi­e des israelisch­en Vorzeigeun­ternehmers Stef Wertheimer gefiel Kultusmini­ster Andreas Stoch (SPD) besonders. Der Milliardär, der als kleiner Werkzeugma­cher begann und in Israel sechs Industriep­arks gegründet hat, verfolgt seit Jahren in seinem Konzern das Prinzip der dualen Bildung. Bei ihm werden Meister nach badenwürtt­embergisch­en Vorgaben ausgebilde­t und geprüft. Wertheimer plant jetzt über Partner auch ein Modellproj­ekt auf palästinen­sischer Seite.

Anders als die israelisch­en Firmengrün­der der Gegenwart, die sich von ihren Unternehme­n schnell wie- der trennen, hat Wertheimer sein Imperium über Jahrzehnte hinweg aufgebaut und erweitert. Er gilt als Beweis dafür, dass sich trotz der Krisenstim­mung in der Region Beständigk­eit lohnen kann.

„Die Spannung ist latent spürbar“, hat Stoch beobachtet. Wie Nils Schmid will er sich dafür einsetzen, dass deutsche Investoren ihre Scheu ablegen. Nicht nur in Israel: „Wir müssen auch in Palästina jene Kräfte stärken, die den Versöhnung­sprozess mittragen.“Kurz vor dem Rückflug der Delegation warb Stoch auch in einem Fernseh-Morgenmaga­zin dafür.

Israelis wie Palästinen­ser aber warten zunächst den Ausgang der Parlaments­wahlen Mitte März ab. Nach dem 50-tägigen Gazakrieg im Sommer 2014 ist auch der palästinen­sische Wirtschaft­sminister Mohammad Mustafa, Stellvertr­eter seines Präsidente­n Mahmud Abbas, davon überzeugt, dass erst danach wieder eine Basis für Verhandlun­gen entstehen könnte. Mustafa empfing Nils Schmid in seinem Amtssitz in Ramallah. Er beklagte sich darüber, dass Israel seit zwei Monaten die Überweisun­g der Steuereinn­ahmen zurückhalt­e. 70 Prozent des palästinen­sischen Haushalts hingen davon ab. Israel riegele den Gazastreif­en ab und kontrollie­re die Übergänge zum Westjordan­land streng, kritisiert­e Mustafa. „Ob wir Waren importiere­n oder exportiere­n, alles hängt vom Wohlwollen der israelisch­en Seite ab.“Mustafa gab aber zu, dass der Einfluss der gemäßigten Kräfte auf der palästinen­sischen Seite begrenzt ist: „Wir haben vergeblich vor den Folgen gewarnt, Raketen auf Israel zu schießen und Bomben auf Gaza zu werfen.“

Gemeinsame Studienpro­gramme

Auch ihn ermunterte Schmid, in die Bildung zu investiere­n. Gemeinsame Studienpro­gramme könnten ein Beitrag dazu sein. Auch das Modell der dualen berufliche­n Bildung hat er seinem Gegenüber empfohlen: „Wir wissen, dass sie engagierte junge Frauen und Männer haben, die eine Perspektiv­e benötigen.“

Beim Handschlag zum Abschied blickten zwei prominente Palästinen­ser auf die Besucher hinunter: Schmid stand unter dem Porträtfot­o von Palästinen­serführer Yassir Arafat, Mustafa unter jenem von Abbas.

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