Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der Schlichter der Sparkasse
Der pensionierte Richter Peter Wax hat zehn Jahre zwischen Geldhaus und Kunden vermittelt – Bei Scala in Ulm scheiterte ein Schiedsspruch
- Ärger und Häme wären der Sparkasse Ulm erspart geblieben, hätte sie sich auf einen Schiedsspruch eingelassen. Vor gut einem Jahr schlug ein Schlichter einen Kompromiss vor, wie mit Scala-Sparern zu verfahren sei. Doch das Geldinstitut lehnte ab und bevorzugte ein Gerichtsverfahren.
Wenn Unternehmen Probleme „geräuschlos“aus der Welt schaffen wollen, nehmen sie oft Dienste von Schlichtern in Anspruch. Deshalb ist bei Streitigkeiten zwischen Firmen die Mediation auch so beliebt: Wenn Konflikte erst gar nicht an die Öffentlichkeit dringen, gibt es auch keine unangenehmen Schlagzeilen (siehe Artikel rechts).
40 Jahre im Dienst der Justiz
Peter Wax hat zehn Jahre lang im Auftrag des Sparkassenverbands BadenWürttemberg zwischen Kunden und Sparkassen vermittelt. Wax ist 75 Jahre alt und wohnt in Sindelfingen. Er war unter anderem Wirtschaftsstaatsanwalt und zuletzt bis 2004 Präsident des Landgerichts Hechingen. Mehr als 40 Jahre stand er im Dienst der Justiz. Bis Sommer vergangenen Jahres war der gebürtige Stuttgarter einer von zwei Schlichtern für die Sparkassen im Südwesten. „Ich war dankbar, zehn weitere Jahre in meinem Beruf arbeiten zu können.“Schnelle, möglichst unbürokratische Lösungen zu finden, ohne Präzen-
ANZEIGE denzfälle zu provozieren, das sah Wax als seine Mission.
Der Sparkassenverband beschäftigt im Südwesten ausschließlich pensionierte Richter als Vermittler. Sie werden vom Verband bezahlt – ein Umstand, der Verbraucherschützer misstrauisch stimmt. „Von Schlichtern, die für Bausparkassen, Kreditinstitute oder Versicherungen zuständig sind, können Verbraucher leider allzu oft keine Schützenhilfe erwarten“, sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Ein Schlichtungsverfahren bringt keine Rechtsnachteile mit sich: Ist ein Kunde mit dem Schlichtungsvorschlag nicht einverstanden, kann er nach wie vor die ordentlichen Gerichte anrufen“, schreibt dagegen der Sparkassenverband.
Die Beschwerden gehen bei der Schlichtungsstelle des Verbands ein und werden von dort dem Schlichter übersandt. Direkten Kontakt mit den Beschwerdeführern und den Sparkassen haben Schlichter nicht. Wax kommunizierte mit den Beschwerdeführern ausschließlich schriftlich und mit den Sparkassen per Mail. „Eine Beweisaufnahme wie vor Gericht wäre zu aufwendig, Zeugenvernehmungen sind nicht möglich“, sagt Wax. Den Kunden kosten die Dienste des Schlichters dafür nichts. 300 förmliche Verfahren fielen 2013 beim Spar- kassenverband im Südwesten an. Für Banken hat die Bestellung eigener Ombudsleute einen Vorteil: Solange sie selbst die Schlichter stellen, hält sich der Gesetzgeber heraus. In Schweden etwa wird die Schiedsstelle vom Staat betrieben. Das wollen die hiesigen Banken und Sparkassen vermeiden.
Sofern der Kunde eindeutig im Recht ist, kommen die Fälle überhaupt nicht zum Schlichter. Dann greifen die Juristen des Verbands ein und legen den betroffenen Sparkassen nahe, das Problem aus der Welt zu schaffen. Geschieht das nicht, wird der Schlichter eingeschaltet; ebenso wenn die Sparkasse Recht hat oder der Fall unklar ist. „Manchmal habe ich empfohlen, dem Kunden nachzugeben, selbst wenn er Unrecht hatte“, erinnert sich Wax. „Lohnt es sich denn, wegen einer Gebühr von 30 Euro ein Riesenverfahren loszutreten?“In solchen Fällen empfahl der ehemalige Richter der Sparkasse, dem Kunden „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“entgegenzukommen.
Das schärfste Schwert des Schlichters ist der „Schlichterspruch“. Solange der Streitwert 5000 Euro nicht übersteigt, sind Schlichtersprüche für die Sparkassen bindend – und die Sache ist damit erledigt. Das freut auch die Gerichte, bleiben ihnen doch dadurch Prozesse wegen Kleinigkeiten erspart. „Bei höheren Beträgen habe ich Verständnis, wenn die Sparkasse es gerichtlich geklärt wissen will.“Wenn erst einmal ein Prozess läuft, ist eine Schlichtung ausgeschlossen.
Wax hat, soweit ihm bekannt ist, nie ein Gerichtsverfahren ausgelöst – aber viele verhindert. „Viele Leute fügen sich einem Schlichterspruch“,
Schlichter Peter Wax ist ein Freund klarer Sprache sagt der pensionierte Richter. Deshalb versuchte er auch, seine Entscheidung in verständlichem Deutsch zu begründen. „Juristendeutsch habe ich immer gehasst.“In Baden-Württemberg fallen Schlichtersprüche ausführlicher aus als in anderen Bundesländern, oft begründen die Schlichter ihre Entscheidungen auf zwei bis drei Seiten.
Anliegen kleiner Leute
Viele Fälle, die auf den Tisch des Schlichters kommen, drehen sich um fehlerhafte Beratung bei der Geldanlage, unterlassene Hinweise auf Förderungen, die Kündigung alter Bausparverträge oder um das Girokonto für jedermann. Lange Zeit seien die Banken und Sparkassen sehr streng gewesen und hätten versucht, sich vermeintlich schlechter Kunden zu entledigen, sagt Wax. „Ohne Girokon- to sind Sie kein Mensch.“Es sind Fälle kleiner Leute, mit denen sich Schlichter vor allem befassen, Anliegen alter Menschen, die ihre Klage handgeschrieben auf Karopapier darlegen. Manche werden von der Verbraucherzentrale, Caritas oder Schuldnerberatung zum Schlichter geschickt. „Geschäftserfahrene Leute gehen schneller zum Anwalt“, sagt Wax. Der Schlichter begegnete oft Leuten, die um Kleinigkeiten stritten, die den Aufwand nicht wert waren. Böse konnte er diesen Menschen nicht sein. „Ihnen ist meistens an anderer Stelle bitteres Unrecht widerfahren. Und jetzt sind sie misstrauisch und ziehen gegen alles und jeden zu Felde“, sagt der ehemalige Richter. „Für solche Leute habe ich Verständnis.“
Zum derzeit wohl wichtigsten Verfahren der Sparkasse, dem Scala-Prozess in Ulm, will Wax nichts sagen. Verbraucherschützer Nauhauser schon: Er wertet Scala als Beispiel einer gut gemeinten, gleichwohl gescheiterten Schlichtung. „Noch nie habe ich es erlebt, dass ein Schlichter sich mal zugunsten des Kunden weit aus dem Fenster lehnt.“Und wenn doch, dann zeigten ihm die Anbieter Grenzen auf. „So ist das bei den Scala Sparverträgen jedenfalls gelaufen.“
Tatsächlich stellte der für Scala zuständige Schlichter Hansjörg Lohrmann im März 2014 ernüchtert fest: „Ich sehe mich zu meinem großen Bedauern nicht in der Lage, meine Schlichtungsbemühungen fortzusetzen.“
„Juristendeutsch habe
ich immer gehasst.“