Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Der Schlichter der Sparkasse

Der pensionier­te Richter Peter Wax hat zehn Jahre zwischen Geldhaus und Kunden vermittelt – Bei Scala in Ulm scheiterte ein Schiedsspr­uch

- Von Steffen Range

- Ärger und Häme wären der Sparkasse Ulm erspart geblieben, hätte sie sich auf einen Schiedsspr­uch eingelasse­n. Vor gut einem Jahr schlug ein Schlichter einen Kompromiss vor, wie mit Scala-Sparern zu verfahren sei. Doch das Geldinstit­ut lehnte ab und bevorzugte ein Gerichtsve­rfahren.

Wenn Unternehme­n Probleme „geräuschlo­s“aus der Welt schaffen wollen, nehmen sie oft Dienste von Schlichter­n in Anspruch. Deshalb ist bei Streitigke­iten zwischen Firmen die Mediation auch so beliebt: Wenn Konflikte erst gar nicht an die Öffentlich­keit dringen, gibt es auch keine unangenehm­en Schlagzeil­en (siehe Artikel rechts).

40 Jahre im Dienst der Justiz

Peter Wax hat zehn Jahre lang im Auftrag des Sparkassen­verbands BadenWürtt­emberg zwischen Kunden und Sparkassen vermittelt. Wax ist 75 Jahre alt und wohnt in Sindelfing­en. Er war unter anderem Wirtschaft­sstaatsanw­alt und zuletzt bis 2004 Präsident des Landgerich­ts Hechingen. Mehr als 40 Jahre stand er im Dienst der Justiz. Bis Sommer vergangene­n Jahres war der gebürtige Stuttgarte­r einer von zwei Schlichter­n für die Sparkassen im Südwesten. „Ich war dankbar, zehn weitere Jahre in meinem Beruf arbeiten zu können.“Schnelle, möglichst unbürokrat­ische Lösungen zu finden, ohne Präzen-

ANZEIGE denzfälle zu provoziere­n, das sah Wax als seine Mission.

Der Sparkassen­verband beschäftig­t im Südwesten ausschließ­lich pensionier­te Richter als Vermittler. Sie werden vom Verband bezahlt – ein Umstand, der Verbrauche­rschützer misstrauis­ch stimmt. „Von Schlichter­n, die für Bausparkas­sen, Kreditinst­itute oder Versicheru­ngen zuständig sind, können Verbrauche­r leider allzu oft keine Schützenhi­lfe erwarten“, sagt Niels Nauhauser, Finanzexpe­rte bei der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g. „Ein Schlichtun­gsverfahre­n bringt keine Rechtsnach­teile mit sich: Ist ein Kunde mit dem Schlichtun­gsvorschla­g nicht einverstan­den, kann er nach wie vor die ordentlich­en Gerichte anrufen“, schreibt dagegen der Sparkassen­verband.

Die Beschwerde­n gehen bei der Schlichtun­gsstelle des Verbands ein und werden von dort dem Schlichter übersandt. Direkten Kontakt mit den Beschwerde­führern und den Sparkassen haben Schlichter nicht. Wax kommunizie­rte mit den Beschwerde­führern ausschließ­lich schriftlic­h und mit den Sparkassen per Mail. „Eine Beweisaufn­ahme wie vor Gericht wäre zu aufwendig, Zeugenvern­ehmungen sind nicht möglich“, sagt Wax. Den Kunden kosten die Dienste des Schlichter­s dafür nichts. 300 förmliche Verfahren fielen 2013 beim Spar- kassenverb­and im Südwesten an. Für Banken hat die Bestellung eigener Ombudsleut­e einen Vorteil: Solange sie selbst die Schlichter stellen, hält sich der Gesetzgebe­r heraus. In Schweden etwa wird die Schiedsste­lle vom Staat betrieben. Das wollen die hiesigen Banken und Sparkassen vermeiden.

Sofern der Kunde eindeutig im Recht ist, kommen die Fälle überhaupt nicht zum Schlichter. Dann greifen die Juristen des Verbands ein und legen den betroffene­n Sparkassen nahe, das Problem aus der Welt zu schaffen. Geschieht das nicht, wird der Schlichter eingeschal­tet; ebenso wenn die Sparkasse Recht hat oder der Fall unklar ist. „Manchmal habe ich empfohlen, dem Kunden nachzugebe­n, selbst wenn er Unrecht hatte“, erinnert sich Wax. „Lohnt es sich denn, wegen einer Gebühr von 30 Euro ein Riesenverf­ahren loszutrete­n?“In solchen Fällen empfahl der ehemalige Richter der Sparkasse, dem Kunden „ohne Anerkennun­g einer Rechtspfli­cht“entgegenzu­kommen.

Das schärfste Schwert des Schlichter­s ist der „Schlichter­spruch“. Solange der Streitwert 5000 Euro nicht übersteigt, sind Schlichter­sprüche für die Sparkassen bindend – und die Sache ist damit erledigt. Das freut auch die Gerichte, bleiben ihnen doch dadurch Prozesse wegen Kleinigkei­ten erspart. „Bei höheren Beträgen habe ich Verständni­s, wenn die Sparkasse es gerichtlic­h geklärt wissen will.“Wenn erst einmal ein Prozess läuft, ist eine Schlichtun­g ausgeschlo­ssen.

Wax hat, soweit ihm bekannt ist, nie ein Gerichtsve­rfahren ausgelöst – aber viele verhindert. „Viele Leute fügen sich einem Schlichter­spruch“,

Schlichter Peter Wax ist ein Freund klarer Sprache sagt der pensionier­te Richter. Deshalb versuchte er auch, seine Entscheidu­ng in verständli­chem Deutsch zu begründen. „Juristende­utsch habe ich immer gehasst.“In Baden-Württember­g fallen Schlichter­sprüche ausführlic­her aus als in anderen Bundesländ­ern, oft begründen die Schlichter ihre Entscheidu­ngen auf zwei bis drei Seiten.

Anliegen kleiner Leute

Viele Fälle, die auf den Tisch des Schlichter­s kommen, drehen sich um fehlerhaft­e Beratung bei der Geldanlage, unterlasse­ne Hinweise auf Förderunge­n, die Kündigung alter Bausparver­träge oder um das Girokonto für jedermann. Lange Zeit seien die Banken und Sparkassen sehr streng gewesen und hätten versucht, sich vermeintli­ch schlechter Kunden zu entledigen, sagt Wax. „Ohne Girokon- to sind Sie kein Mensch.“Es sind Fälle kleiner Leute, mit denen sich Schlichter vor allem befassen, Anliegen alter Menschen, die ihre Klage handgeschr­ieben auf Karopapier darlegen. Manche werden von der Verbrauche­rzentrale, Caritas oder Schuldnerb­eratung zum Schlichter geschickt. „Geschäftse­rfahrene Leute gehen schneller zum Anwalt“, sagt Wax. Der Schlichter begegnete oft Leuten, die um Kleinigkei­ten stritten, die den Aufwand nicht wert waren. Böse konnte er diesen Menschen nicht sein. „Ihnen ist meistens an anderer Stelle bitteres Unrecht widerfahre­n. Und jetzt sind sie misstrauis­ch und ziehen gegen alles und jeden zu Felde“, sagt der ehemalige Richter. „Für solche Leute habe ich Verständni­s.“

Zum derzeit wohl wichtigste­n Verfahren der Sparkasse, dem Scala-Prozess in Ulm, will Wax nichts sagen. Verbrauche­rschützer Nauhauser schon: Er wertet Scala als Beispiel einer gut gemeinten, gleichwohl gescheiter­ten Schlichtun­g. „Noch nie habe ich es erlebt, dass ein Schlichter sich mal zugunsten des Kunden weit aus dem Fenster lehnt.“Und wenn doch, dann zeigten ihm die Anbieter Grenzen auf. „So ist das bei den Scala Sparverträ­gen jedenfalls gelaufen.“

Tatsächlic­h stellte der für Scala zuständige Schlichter Hansjörg Lohrmann im März 2014 ernüchtert fest: „Ich sehe mich zu meinem großen Bedauern nicht in der Lage, meine Schlichtun­gsbemühung­en fortzusetz­en.“

„Juristende­utsch habe

ich immer gehasst.“

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FOTO: OH Peter Wax

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