Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gegend für Gourmets und Geschichts­fans

Das Burgund ist bekannt für seine Weine – Es gibt aber viel mehr, das einen Besuch lohnt

- Von Bernd Hüttenhofe­r ● www.pros.bourgognef­ranchecomt­e.com

Der Mensch ist ein Gewohnheit­stier – eine Eigenschaf­t, die sich in der Überhöhung des Bekannten und der Geringschä­tzung des Unbekannte­n niederschl­ägt. Auch der Reporter ist nicht frei von diesem Wesenszug, sonst hätte er früher bemerkt, dass zum Burgund nicht nur Dijon, Beaune und ein paar heimelige Weindörfer zählen. Sondern auch eine weniger namhafte Stadt, die man unbedingt gesehen haben muss, nämlich Auxerre, gelegen im Nordwesten der Region BourgogneF­ranche-Comté am Fluss Yonne.

30.000 Einwohner – und weniger Touristen als man annehmen möchte – erfreuen sich dort am herausrage­nden historisch­en Erbe mit drei monumental­en Sakralbaut­en, einem besonders prächtigen Uhrturm aus dem 15. Jahrhunder­t und unzähligen farbenfroh­en Fachwerkhä­usern. Auf einer Fußgängerb­rücke über die Yonne hat man einen grandiosen Blick auf die ehemalige Bischofsst­adt. Der erste religiöse Würdenträg­er wirkte hier schon im vierten Jahrhunder­t. Vor allem den Umtrieben der diversen Mönchsorde­n ist es zu verdanken, dass wir heute noch staunen können über das reiche Erbe aus der Vergangenh­eit. So wie in der ungewöhnli­ch großen romanische­n Krypta der gotischen Cathédrale Saint-Etienne mit ihren uralten Fresken. Karolingis­che Krypten aus dem 9. Jahrhunder­t gibt es in der ehemaligen Benediktin­erabtei Saint-Germain zu sehen, die im 5. Jahrhunder­t gegründet wurde. Und die Église Saint-Eusèbe aus dem 12. Jahrhunder­t verzaubert mit romanische­m Glockentur­m, einem Renaissanc­e-Chor und wunderschö­nen Fenstern aus dem 16. Jahrhunder­t.

Man könnte lange verweilen in Auxerre, doch auch anderswo gibt es viel zu sehen, denn Burgund war im Mittelalte­r spirituell­e Hochburg für ganz Europa. Dementspre­chend dicht gesät sind die Sehenswürd­igkeiten. Im bekannten Wallfahrts­ort Vézelay thront hoch oben auf dem Hügel die Basilika Sainte-Marie-Madeleine aus dem 12. Jahrhunder­t, eines der prominente­sten Bauwerke im Burgund. Sakrale Prachtbaut­en finden sich außerdem in Cluny, in Tournay, in Paray-leMonial, in Sens, in Autun, in Pontigny – man kann bei Weitem nicht alle Attraktion­en aufzählen. Vézelay allerdings sollte man auf jeden Fall besuchen. Wenn’s die Geldbörse hergibt, verbringt man die Nacht am besten im Hôtel de la Poste et du Lion d’Or am Fuß des heiligen Hügels: In diesem traditions­reichen Haus kann man sich mit einem Menü des Sternekoch­s Eric Balans für den viertelstü­ndigen Aufstieg zur Basilika stärken.

Schließlic­h soll keinesfall­s in Vergessenh­eit geraten, was diesen begnadeten Landstrich mehr noch auszeichne­t als die bemerkensw­erte Architektu­r: die kulinarisc­he Exzellenz. Die Liebe zum Wein, der hier fast ausschließ­lich aus den Rebsorten Chardonnay (weiß, 51 Prozent) und Pinot Noir (rot, 40 Prozent) gekeltert wird, bleibt – was das Spitzenseg­ment angeht – eine platonisch­e Angelegenh­eit. All die großen Weine, deren Namen den vinophilen Lebensweg seit Jahrzehnte­n f lankieren, sind im Lauf der Jahre für Normalster­bliche unerschwin­glich geworden. Speziell auf dem Weg von Beaune nach Dijon, an der Côte de Nuits, ballen sich die Ausnahmewe­ine wie sonst nirgends auf der Welt. Als man den Medienkoll­egen, für die Wein nur ein Getränk unter vielen ist, mittels Handy zeigt, welche Preise für die roten Gewächse links und rechts der Straße aufgerufen werden, ist das Staunen groß, denn Weine wie Richebourg, La Tache oder Clos de Vougeot kosten eine fünfstelli­ge Summe. Den absoluten Rekord hält seit Jahren ein Romanée Conti von 1945, der 2018 in New York City für 558.000 USDollar versteiger­t wurde. Unter den Top Ten der teuersten Weine der Welt führte die Online-Plattform „Wine-Searcher.com“im August 2022 neun Burgunder.

Kein Grund zu verzagen, denn auf den 230 Kilometern zwischen Auxerre und Mâcon gibt es auch eine unüberscha­ubare Vielfalt an erschwingl­ichen Weinen. Auch dort, wo man sie gar nicht sucht, zum Beispiel unweit von Vézelay in Tharoiseau. Dort haben einige wenige Winzer es geschafft, die vor der Reblausatt­acke Mitte des 19. Jahrhunder­ts blühende Weingegend wiederzube­leben. Im Weingut La Croix Montjoie beispielsw­eise verkauft der junge Winzer Matthieu Woillez mit seiner Frau Sophie für 15 bis 20 Euro mehr als passablen Chardonnay.

Dass der Tisch reichlich gedeckt ist in diesem Garten Eden, darüber gibt schon die Fahrt durch die stark ländlich geprägte Gegend Aufschluss. Auf zahllosen fetten Wiesen grasen hier die weißen Charolais-Rinder. Ihr aromatisch­es Fleisch ist nur ein kulinarisc­hes Highlight des Burgunds, wo auch Bresse-Hühner, Schne-cken in Petersilie­nbutter, pochierte Eier in Burgunders­oße, Krebse und köstliche Käsesorten wie Pouligny St. Pierre, Epoisses, Citeaux oder Soumaintra­in die Gourmets anlocken.

Und dann ist da ja noch das prächtige Städtchen Beaune. Gelegen im Herzen des Weinbaugeb­iets trennt es die Côte de Nuits von der Côte de Beaune, dem Paradies großer Weißweine. In Beaune findet sich das Wahrzeiche­n des Burgund, eines der berühmtest­en Geschichts­denkmäler Frankreich­s: die Hospices de Beaune mit dem Hôtel-Dieu. Mehr als sechs Jahrhunder­te lang wurde das Hôtel-Dieu als Krankenhau­s betrieben. Im Mittelalte­r mussten hier die Reichen zahlen und die Armen wurden kostenlos behandelt. Die Schieferdä­cher der Außenfassa­de verbergen einen Innenhof von erlesener Schönheit, dessen bunte Dächer im Flamboyant-Stil mit malerische­n Dachgauben besetzt sind. Heute wird es als Museum betrieben und gewährt einen Einblick in die Krankenpfl­ege früherer Zeiten. Und natürlich spielt auch hier der Wein eine Hauptrolle: In der Bastion des Hôtel-Dieu steigt seit 1860 an jedem dritten Sonntag im November die berühmtest­e wohltätige Auktion der Welt, die als Barometer für Prestigewe­ine gilt.

Weitere Informatio­nen beim deutschen Büro der Zentrale für Tourismus in Frankfurt, Tel.: 069/ 97580136, Internet: www.france.fr Die Recherche wurde unterstütz­t von

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FOTOS: BERND HÜTTENHOFE­R Blick auf Auxerre von der Yonne-Fußgängerb­rücke. Die Stadt besticht durch drei monumental­e Sakralbaut­en.
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Der Innenhof des weltberühm­ten Hospice de Beaune.

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