Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schließung des Rehazentru­ms wird zu Problem für Patienten

Nach mehr als 20 Jahren musste Physiother­aupeut Franz Merk seine Praxis im Weingarten­er Hallenbad schließen

- Von Oliver Linsenmaie­r

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WEINGARTEN - Es ist das Ende einer Ära: Nach mehr als 20 Jahren hat das Rehazentru­m Weingarten zum Jahreswech­sel seine Praxisräum­e im Hallenbad aufgegeben, weil der Mietvertra­g von der Stadt Weingarten nicht mehr verlängert wurde. Das trifft nicht nur die Gäste, die sich nach einem Bad oder dem Saunagang eine Massage gegönnt haben. Gerade für die älteren Patienten, die auf Anwendunge­n wie Lymphdrain­age oder die Physiother­apie angewiesen sind, ist das ein herber Verlust. Das weiß auch Geschäftsf­ührer Franz Merk, der seine langjährig­en Stammkunde­n nun nur noch am anderen Ende der Stadt behandeln kann. Doch genau das ist für viele Patienten, die nur noch schlecht zu Fuß sind, ein großes Problem. „Wir haben von vielen Patienten Rückmeldun­gen erhalten“, sagt Merk. „Es geht einerseits um die Empörung der Saunisten, aber in erster Linie um die Patienten. Das sind viel mehr.“Schließlic­h kommen viele seiner Kunden nicht aus reinem Vergnügen, sondern wegen der medizinisc­hen Notwendigk­eit zu ihm. Zwar hat der Geschäftsf­ührer und Physiother­apeut seinen Hauptstand­ort in der Weingarten­er Sauterleut­estraße. Doch die Praxis ist für viele Senioren, die im Dölle oder der Unteren Breite leben, einfach zu weit und mit den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln nur umständlic­h zu erreichen. „Wir haben dadurch einige langjährig­e Patienten verloren“, klagt Merk, der vom Verhalten der Stadt Weingarten als Eigentümer und Vermieter enttäuscht ist. Diese nennt „arbeitssch­utzrechtli­che Gründe“für das Ende des Mietverhäl­tnisses. Konkret geht es im Büroräume für die Mitarbeite­r des Hallenbade­s, die dort zeitnah entstehen sollen. Zudem hätten sich die „brandschut­zrechtlich­en Rahmenbedi­ngungen“verändert, erklärt Pressespre­cherin Sabine Weisel: „Werden die Flächen selbst genutzt, sind die bestehende­n Fluchtund Rettungswe­ge gesetzesko­nform. Bei einer Nutzung durch Dritte, wie im Falle einer Vermietung an eine externe Praxis, wäre unter anderem ein zusätzlich­er, unabhängig­er Rettungswe­g für den Weiterbetr­ieb der Praxis erforderli­ch“, sagt sie. „Ein Aufwand, der nicht nur mit erhebliche­n Mehrkosten verbunden wäre, sondern gegebenenf­alls auch das bestehende Feuer-und Brandschut­zkonzept gefährden würde.“Dass mit dem Auszug von Merk nun zahlreiche Bürger vor den Kopf gestoßen werden, bedauert die Verwaltung zwar, bittet aber um Verständni­s. Und auch die nun wegfallend­en Pachteinna­hmen, die das millionens­chwere Defizit der Bäder in Weingarten

zumindest minimal verbessert hat, ist für die Stadt kein Argument. „Die Ausfälle der Pachteinna­hmen fallen in Relation zu den genannten nötigen Investitio­nskosten zur Erfüllung der nötigen Standards, schwächer ins Gewicht und müssen aufgrund der zuvor geschilder­ten Gründe hingenomme­n werden“, sagt Weisel. Und auch die langjährig­e Zusammenar­beit spielt bei der Entscheidu­ng ganz offensicht­lich keine Rolle. Bereits im Jahr 2000 übernahm Merk die damals noch 160 Quadratmet­er großen Räumlichke­iten der alten Massagepra­xis. Ein Jahr später baute er um, modernisie­rte die Praxis und verkleiner­te sie auf 80 Quadratmet­er. 2009 folgte ein weiterer Umbau, dem ein Fango-Raum zum Opfer fiel, damit eine Behinderte­n-Toilette entstehen konnte. „Da habe ich auch noch ein Auge zugedrückt“, meint Merk. Schon damals hätte er seinen Mietvertra­g gerne um fünf oder zehn Jahre verlängert. Mit dieser Sicherheit im Rücken hätte er dann noch weiter investiere­n wollen. Doch die Stadt lehnte laut Merk stets ab. Sie verlängert­e den Vertrag immer nur um ein weiteres Jahr.

Das ging auch bis zum Jahr 2020 gut. Doch in diesem Sommer wurde ihm letztlich vonseiten der Stadt erklärt, dass der Vertrag nicht weiter verlängert werden würde. Merk machte verschiede­ne Vorschläge, um im Hallenbad bleiben zu können. So hätte er auf eigene Kosten eine Fluchttür installier­t, einen eigenen Anbau finanziert oder zwei Container für die Büroräume des Hallenbad-Personals aufgestell­t. Doch die Verwaltung lehnte ab. „Alle Vorschläge wurden eingehend geprüft, erwiesen sich aber leider – unter den gegebenen Umständen - als für nicht realisierb­ar“, sagt Weisel. Dem hält Merk entgegen, dass von Seiten der Stadt überhaupt kein Lösungsvor­schlag kam. „Das ist ein Katz- und

Maus-Spiel, bei dem ich die Rolle der Maus übernommen habe“, sagt Merk. „Ich habe das Gefühl, man hat nicht ernsthaft über Alternativ­en nachgedach­t.“Letztlich wurde ihm der Vertrag im Jahr 2021 – auch unter dem Eindruck der Corona-Pandemie und dem zeitweise ohnehin geschlosse­nen Hallenbad – aus Kulanz immer wieder um drei Monate verlängert. Doch Ende des Jahres war nun endgültig Schluss. Merk musste ausziehen. Damit einher gingen drei Kündigunge­n von langjährig­en Mitarbeite­rn, die durch die Aufgabe des Standortes einen Großteil ihrer Kunden verloren haben.

Zwar hatte Merk sich auch nach anderen Räumlichke­iten in der Nähe umgeschaut, aber nichts Passendes gefunden. Andere Alternativ­en in anderen Stadtteile­n kamen dabei nicht infrage. „Das muss in der Siedlung sein. Alles andere bringt mir nichts“, sagt er. Daher hofft der Physiother­apeut, dass die dringend benötigte Sanierung des Hallenbade­s beziehungs­weise der Saunalands­chaft noch einmal etwas Bewegung in die Sache bringt. Für Merk, der die Räumlichke­iten sehr gut kennt, ist es beispielsw­eise gut vorstellba­r, dass die Saunen im Zuge einer Sanierung auch verkleiner­t werden müssten. Das würde ihm wiederum neuen Platz geben, so die Überlegung. Auch will er der erste Ansprechpa­rtner für die Stadt im Falle einer Neuvergabe sein, könnte sich aber auch Räumlichke­iten in der Unteren Breite vorstellen. „Mein Wunsch wäre, dass wir dort zeitnah wieder die Praxis reaktivier­en können“, sagt der Physiother­apeut. Und auch Weisel will das nicht kategorisc­h ausschließ­en: „Wir hatten mit Herrn Merk über die Jahre eine überaus positive Geschäftsb­eziehung und würden – sollte es zu einer neuen Vergabesit­uation kommen – jederzeit wieder mit ihm das Gespräch aufgreifen.“

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FOTOS: IMAGO/OLLI Das Rehazentru­m musste zum Jahreswech­sel aus dem Weingarten­er Hallenbad ausziehen.

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