Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
So läuft Weihnachten in der Fachklinik Höchsten ab
Aufgrund der Corona-Pandemie dürfen die Patienten ihre Familien über die Festtage nicht besuchen
WILHELMSDORF/ILLMENSEE Pünktlich Anfang Dezember hüllt Schnee das sanfte Hügelland um die Suchthilfe Fachklinik Höchsten in ein zartweißes Kleid. Etwas verlassen wirkt das moderne Klinikgebäude, das sich über die Anhöhe nach rechts und links erstreckt. Mehr als 70, normalerweise 86 Frauen im Alter zwischen 18 und 70 Jahren verbringen hier eine mehrwöchige Reha. Zwei Drittel von ihnen sind alkoholabhängig, ein Drittel ist drogenabhängig. Auch Ess- und Spielsucht werden hier behandelt.
„Ich war so froh, dass ich direkt nach der zweiwöchigen Entgiftung in der Fachklinik aufgenommen werden konnte“, erzählt die 28-jährige Gabi S. Seit 22. September ist sie in der Klinik in Bad Saulgau, wegen Corona ohne Besuch und ohne Heimfahrt. Einsam fühlt sie sich dennoch nicht. In den vergangenen Jahren ging fast die Hälfte der Patientinnen an Weihnachten oder Silvester für zwei bis drei Tage nach Hause. Nicht so zu Corona-Zeiten: „Die Patientinnen haben bei der Mitteilung gestern, dass sie nicht heimfahren können zu Weihnachten,
gefasst reagiert“, sagt dazu Stefanie Maier, therapeutische Leiterin der Fachklinik.
Sechs Frauen verkürzen ihre ohnehin bald zu Ende gehende Reha, um Weihnachten daheim sein zu können. Zwei Frauen aber möchten ihren Aufenthalt sogar verlängern, um im vertrauten Rahmen der Klinik die Festtage zu erleben. Es kann eben auch schöner sein in der Klinik als unter schwierigen Verhältnissen oder ganz allein zu Hause. „Ich freue mich auf Weihnachten “, antwortet Sabine N. auf die Frage, mit welchen Gefühlen sie dem Weihnachtsfest in der Klinik entgegensehe. „Gestern habe ich hier meinen 34. Geburtstag gefeiert, das war sehr schön.“
Sabine verbringt gerade die vierte Woche in Bad Saulgau. „Meine Familie vermisse ich immer, nicht nur zu Weihnachten“, sagt sie, die zu Hause allein, aber in der Nähe ihrer Oma wohnt. „Aber hier bin ich in der Gruppe in guter Gesellschaft. Und ich weiß, dass ich trocken bin. Zu Hause würde ich allein mit Oma feiern. Ach, alles nicht so schlimm.“Gern würde sich Sabine in die Weihnachtsvorbereitung einbringen. Vielleicht wichteln. Kleine selbstgebastelte Überraschungen hübsch verpacken, und anderen damit eine Freude machen. In den Kleingruppen, in denen bis zu zwölf Frauen für die Dauer ihres Aufenthaltes zusammengefasst werden, wäre das vielleicht möglich.
Das letzte Wort in Sachen Weihnachtsfeier-Vorbereitung ist noch nicht gefallen. Fest steht jetzt schon, es wird ein anderes Weihnachten. Die Beachtung der Hygieneregeln steht im Vordergrund. Trotzdem, es wird ein stimmungsvolles Weihnachtsfest mit leckerem Essen, Vorlesen, Bescherung und theologischen Impulsen. Und eine
Mitarbeiterin hat ganz sicher wieder eine Überraschung parat. Und der Höhepunkt wird wie all die Jahre derselbe sein: Die Tierweihnacht draußen bei den beleuchteten Ställen mit den geschmückten Pferden, Ziegen, Lamas und Alpakas, die durch die tiergestützte Therapie den Frauen vertraut sind. Bei alkoholfreiem Punsch und Textlesungen wird mancher Patientin die Weihnachtsgeschichte im Stall von Bethlehem ganz gegenwärtig sein.
Und Sabine N. wird von ganzem Herzen hoffen, dass sich ihr größter Weihnachtswunsch bald erfüllt: „So schnell wie möglich möchte ich einen Therapieplatz nach der Reha finden. Ich möchte am Ball bleiben und meine Alkoholsucht für immer loswerden.“Gabi S. möchte Weihnachten daheim verbringen. Schließlich ist es ihr erstes Weihnachten zu zweit mit ihrem Freund. Sie verkürzt dafür ihre Reha um zehn Tage. „Es gefällt mir hier gut, aber mir fehlt einfach der Kontakt zu meinem Zuhause. Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich habe die Patientinnen und das Personal hier so sehr ins Herz geschlossen. Hoffentlich muss ich beim Abschied nicht weinen.“