Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Grüner wird’s nicht
Viel Wald und sanftes Bergland prägen die Region Murau – Ideal für einen naturnahen Urlaub in der Steiermark
Ob Donald Trump schon mal in Murau war? „Sie leben dort in Wäldern“, hat der US-Präsident kürzlich in einem TV-Interview über Österreich gesagt. Die kuriose Aussage hat Trump viel Spott eingebracht, aber zumindest für Murau hat er gar nicht mal so unrecht: Die Kleinstadt in der westlichen Steiermark und ihre Umgebung sind tatsächlich ausgesprochen waldreich – mehr als jeder andere Bezirk in Österreich, wie Statistiker errechnet haben.
Als „das grüne Herz Österreichs“wird die ganze Steiermark beworben, und Murau ist gewissermaßen dessen allergrünste Herzkammer. Wo die schroffe Bergwelt der Tauern allmählich übergeht in ein sanfteres Bergland, dauert die Sommersaison etwas länger als im hochalpinen Bereich. Zumal die Region, die man von Deutschland aus durch den Tauerntunnel erreicht, schon auf der Sonnenseite der Alpen liegt.
Sonnig beginnt auch der Aufstieg auf den Hausberg der Stadt Murau, die 1997 Meter hohe Frauenalpe. Sportliche Bergsteiger können die Wanderung direkt in Murau beginnen oder im benachbarten Urlaubsort Sankt Lorenzen, dann haben sie allerdings knackige 1000 Höhenmeter vor sich. Gut die Hälfte davon lässt sich abkürzen: Von Murau aus windet sich eine Straße hinauf bis zur Murauer Hütte. Von hier aus führt ein gemütlicher Wanderweg zunächst über Almwiesen bergan, weiter oben ist der Hang von Heidelbeerbüschen bewachsen.
Weniger als eineinhalb Stunden später ist die Apolloniakapelle unterhalb des Gipfels erreicht. Am Gipfelkreuz ein paar Meter weiter haben sich Familien niedergelassen, um zu rasten. In Richtung Norden blicken sie auf die Niederen Tauern, nach Süden hin über die Gurktaler Alpen, zu deren Ausläufern auch die Frauenalpe selbst zählt. Dahinter sollen laut einer Infotafel auch einige slowenische Bergspitzen zu sehen sein, aber die verschwinden an diesem spätsommerlichen Schönwettertag im Dunst. Vor allem aber bestätigt der Blick von oben, wie waldreich die ganze Gegend ist.
Zurück an der Murauer Hütte herrscht auf der Sonnenterrasse einiger Trubel, der nicht zuletzt vom Chef höchstselbst verursacht wird. Wirt Eddy Frisch scheint mindestens jeden zweiten Gast persönlich zu kennen, entsprechend lautstark werden die Neuankömmlinge begrüßt. Auf der Speisekarte stehen Kaspressknödel, Krainerwürstel und Salate mit steirischem Kürbiskernöl. Die Hütte am Hang der Frauenalpe können Wanderer auch im Herbst noch für eine Jause einplanen, ebenso
ANZEIGEN wie ein Stück weiter östlich die Tonnerhütte am Zirbitzkogel oder die Karlhütte am Etrachsee.
Letztere liegt in der Steirischen Krakau, einem etwas abgeschiedenen Landstrich nördlich von Murau. Der von dichtem Nadelwald gesäumte Etrachsee selbst ist ein Ziel vor allem für Angler, die hier Forellen und Saiblinge fangen. Die abgeschiedene Lage schätzte einst auch der Schlagersänger Peter Alexander, ein begeisterter Angler. Er mochte den Etrachsee so sehr, dass er ihn am liebsten gekauft hätte. Dann wäre der See aber nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich gewesen, und weil das die Menschen am Ort nicht wollten, wurde nichts aus dem Geschäft. So können Besucher, wenn sie nicht selbst angeln, heute den stillen See umwandern und anschließend an der Forellenstation Etrachsee oder eben in der nahen Karlhütte von dem kosten, was der See hergibt.
Um die Nähe zur Natur geht es auch in dem kleinen Städtchen Neumarkt. Der Ort ist das Zentrum des Naturparks Zirbitzkogel-Grebenzen, der in etwa das südöstliche Viertel des Bezirks Murau umfasst. Hinter dem Naturpark steht ein Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, seinen Besuchern die Bedeutung des Natur-Lesens ins Bewusstsein zu rufen. „Es geht um das Lesen im großen
Buch der Natur“, erläutert Magrit Krenn. „Wie gehe ich mit der Natur um, was kann ich von ihr lernen?“Krenn arbeitet für den NaturparkVerein, der in Neumarkt auch das Natur-Lese-Museum, kurz NaLeMu, betreibt. Die von Künstlern mitgestaltete, 2018 eröffnete Ausstellung soll vor allem Kinder zum Entdecken der Natur ermuntern. Etwa beim Blick in den museumseigenen Schau-Bienenstock: Nur durch eine Glasscheibe getrennt, können Besucher
das emsige Treiben eines Bienenvolkes beobachten: Den Bau von Waben, die Produktion von Honig. „Es geht darum, Naturschutz erlebbar zu machen“, erklärt Krenn.
Zurück nach Murau. Die Stadt mit dem malerischen Ortskern liegt eingebettet in waldige Hügel, unten im Tal plätschert Wasser an den Fassaden der Altstadthäuser vorbei. Hier bestimmt die Mur das Bild. Dem Verlauf des Flusses folgt ein Fernradweg. Ein schönes Stück des MurRadwegs
lässt sich erleben, wenn man ab Murau die Bahn in Richtung des salzburgischen Ortes Tamsweg nimmt – die Bummelzüge auf der Strecke haben stets ein Fahrradabteil. Ab Tamsweg oder von einem der vielen kleinen Haltepunkte entlang der Strecke lässt es sich dann bequem nach Murau zurückfahren, ohne dass man sich die Straße oft mit Autofahrern teilen müsste – vielfach führen reine Radwege durch Felder und am Waldrand entlang, bevor schließlich wieder das Murauer Schloss ins Blickfeld rückt.
Wer nicht selbst aufs Rad steigen will, kann die Strecke auch mit dem Dampfzug absolvieren: Im Murtal schicken die Steiermärkischen Landesbahnen regelmäßig historische Lokomotiven auf die Strecke. Beim „Kleinen Dampfen“zwischen Murau und Stadl an der Mur absolvieren die mehr als hundert Jahre alten Loks mit teils offenen, teils geschlossenen Waggons eine Strecke von insgesamt 40 Kilometern.
Wilhelm Kinberger, der als Zugbegleiter mit an Bord ist, berichtet, dass der Dampfbetrieb in diesem Jahr auch im Oktober noch angeboten wird: „Wegen Corona wurde die Saison heuer verlängert“. Etwa eine Dreiviertelstunde, nachdem der Zug mit viel Getöse den Bahnhof in Murau verlassen hat, kommt er in Stadl
an der Mur wieder zum Stehen. Der Wassertank der Lok wird neu befüllt – für viele mitreisende DampflokFans ein dankbares Fotomotiv. Nach dem Rangieren folgt ein schriller Pfiff, und ruckelnd setzt sich der Zug wieder in Bewegung. Noch einmal geht es die gleiche Strecke zurück. Neben den Gleisen ist die Mur zusehen, ab und zu ein paar kleine Dörfer. Und ansonsten vor allem: Wald, viel Wald