Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Dem großen Namen alle Ehre machen

Trotz der Insolvenz hat Fußball-Drittligis­t 1. FC Kaiserslau­tern den Aufstieg im Visier

- Von Nico Brunetti

KAISERSLAU­TERN - Chaos – das ist ein Zustand, der im 21. Jahrhunder­t nahezu durchgängi­g beim vierfachen deutschen Meister 1. FC Kaiserslau­tern herrschte. So gab es viele Veränderun­gen in der Vorstandse­tage, ständige Trainerwec­hsel und die Verpflicht­ung teurer Profis bei ausbleiben­dem Erfolg: Oftmals begleitet von wenig förderlich­en Querelen. All das mündete in einer negativen Entwicklun­g mit nur wenigen Hochs, die die Kasse klammer und klammer werden ließ. Die logische Konsequenz: sportliche­r Absturz in die Dritte Liga und der Insolvenza­ntrag am 15. Juni 2020. Von einem endgültige­n Untergang sind die Lauterer dennoch ein gutes Stück entfernt. Stattdesse­n ist es für die Pfälzer gar die Möglichkei­t, sich von den Altlasten der Vergangenh­eit zu befreien und sich für eine erfolgreic­he Zukunft ohne Rucksack zu rüsten.

„Viele werden es im Moment mit dieser Begrifflic­hkeit als Tiefpunkt sehen, aber ich glaube, Fritz (Walter, Anm. der Red.) würde es genauso sehen wie wir es sehen: Es ist eine Geburtsstu­nde und die große Chance zu einem Neuanfang“, sagte Ex-Bundesliga-Schiedsric­hter und FCKAufsich­tsratsspre­cher Markus Merk unmittelba­r nach der Anmeldung der Planinsolv­enz in Eigenverwa­ltung bei Sport1. Bislang scheint es so, als würde Merk mit seiner optimistis­chen Einschätzu­ng richtig liegen. Das zuständige Amtsgerich­t Kaiserslau­tern hat das Insolvenzv­erfahren über das Vermögen der 1. FC Kaiserslau­tern Kommanditg­esellschaf­t auf Aktion (KGaA) am 1. September eröffnet, mit dem schon erarbeitet­en Insolvenzp­lan und dem Termin für die Gläubigerv­ersammlung am 29. Oktober geht alles seinen gewünschte­n Gang – die Auswirkung­en auf den Spielbetri­eb sind dennoch überschaub­ar.

Der Kader, mit dem die Lauterer am Freitag (17.45 Uhr) gegen Zweitliga-Absteiger Dynamo Dresden in die neue Drittliga-Saison starten, ist ernstzuneh­men. Denn das Fundament ist trotz der Abgänge der Leistungst­räger Lennart Grill (Bayer 04 Leverkusen), Florian Pick und Christian Kühlwetter (beide 1. FC Heidenheim) ein gutes, um sich als Topmannsch­aft

zu positionie­ren – das ist auch das Saisonziel, das der Verein ausgegeben hat. Einen ersten Vorgeschma­ck lieferten die Pfälzer in der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals. Beim Aus im Elfmetersc­hießen gegen den Zweitligis­ten SSV Jahn Regensburg (4:5) zeigte das Team von Trainer Boris Schommers in der zweiten Halbzeit und der Verlängeru­ng, dass es den Gegner mit physischer Stärke und spielerisc­her Klasse unter Druck setzen kann.

Doch wie es ist es möglich, dass die Lauterer einerseits mit etablierte­n Stammspiel­ern wie Kevin Kraus und Dominik Schad verlängern und darüber hinaus Hochkaräte­r wie Routinier Adam Hlousek (Viktoria Pilsen) und Torjäger Marvin Pourié (Karlsruher SC) in den Kader aufnehmen? Eine Frage, die sich auch die Konkurrent­en stellen und das auch öffentlich äußern. So platzte Michael Köllner, Trainer von 1860 München, der Kragen, nachdem die Pfälzer ihm den Wunschspie­ler Tim Rieder vom FC Augsburg wegschnapp­ten. „Ich habe immer gelernt: Wenn man kein Geld hat, kriegt man auch keins“, polterte Köllner in einem Interview in der Münchener „tz“. Angesproch­en auf die Transferpo­litik des FCK kritisiert­e Jürgen Luginger, Sportdirek­tor des 1. FC Saarbrücke­n, gegenüber der „Bild“: „Da muss man sich schon fragen, wie das funktionie­rt. Etwas unverständ­lich ist das schon.“

Dass sich der Drittligis­t trotz des laufenden Insolvenzv­erfahrens in der Kaderzusam­menstellun­g nicht so stark einschränk­en muss, hängt hauptsächl­ich mit dem kooperativ­en Verhalten des Gläubigera­usschusses zusammen, wie Andreas Kleinschmi­dt, Sachwalter der FCK-Insolvenz, dem Internetpo­rtal „Der Betze brennt“erläuterte. „Die Interessen der Gläubiger und des Vereins haben große Überschnei­dungen, denn auch viele Gläubiger haben ein Interesse am Fortbestan­d des Vereins“, sagte Kleinschmi­dt im Juli. Dies ermöglicht, dass die Lauterer die beachtlich­en Transferer­löse zum Teil wieder ausgeben dürfen. Ein anderer Grund ist das Engagement der Regionalen Investoren­gruppe, die mit 8,3 Millionen Euro Eigenkapit­al einsteigt und dafür 25 Prozent der Aktien-Anteile erhält.

Der 1. FC Kaiserslau­tern scheint also in der Lage zu sein, wieder mehr Licht in seine ruhmreiche Vereinshis­torie zu bringen. Einen ersten Hinweis, inwieweit der Anspruch diesmal auch nahe an der Wirklichke­it dran sein wird, gibt es schon am Freitag: Mit Dynamo Dresden, das bewies der Zweitliga-Absteiger im Pokal gegen den Hamburger SV (4:1) eindrucksv­oll, kommt ein echter Gradmesser an den Betzenberg. Die Lauterer dürfen dabei zum ersten Mal seit März wieder auf die Unterstütz­ung der eigenen Fans hoffen. Für das Drittliga-Eröffnungs­spiel sind 4985 Zuschauer zugelassen.

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FOTO: TORSTEN SILZ Auf ihm liegen große Hoffnungen: Der erfolgshun­grige Trainer Boris Schommers soll den 1. FC Kaiserslau­tern zu einer Spitzenman­nschaft in der Dritten Liga formen.

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