Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Drangvolle Enge im Zug – trotz Corona-Pandemie
Fahrgast ärgert sich über verkürzte Züge – So erklärt die Bahn die Situation
RAVENSBURG (len) - Im Zug herrscht drangvolle Enge, wenn Siegfried Veit abends von der Arbeit in Ravensburg zurück nach Ulm fährt. Die während der Corona-Pandemie empfohlenen Abstandsregeln seien dadurch meist nicht einzuhalten, sagt er. Warum die Bahn statt zwei immer wieder – und auch gerade jetzt – nur ein Zugabteil auf der Strecke fahren lässt, ist ihm schleierhaft. Eine Bahnsprecherin erklärt die Situation aus Sicht des Konzerns.
Siegfried Veit fährt in der Regel von Montag bis Donnerstag mit dem Interregio-Express um kurz nach 17 Uhr nach Ulm. „Für den IRE von Basel nach Ulm sind zwei Zugteile vorgesehen.“Doch die Bahn fahre abends zur Hauptverkehrszeit oft nur mit einem Zugteil, so dass sich die Reisenden dann in einen Wagen „pressen müssen“, wie er schildert. „Es versteht sich von selbst, dass der Zug völlig überbelegt und die Lüftungsanlage mit der Situation absolut überlastet ist.“Veit hat ein Foto aufgenommen, das zeigt, wie die Fahrgäste stehen und zum Teil auf dem Boden sitzen, die Luft stehe. „Schon in normalen Zeiten ist das kein Zustand. Während der CoronaPandemie und den geltenden Sicherheitsvorschriften ist das unhaltbar“, so seine Meinung.
Sich beim Beschwerdeportal der Bahn schriftlich zu melden, hat der Bahnpendler längst aufgegeben, weil er stets nur vorgefertigte Standardantworten oder Eingangsbestätigungen erhalten habe. Die Kommunikation mit dem Unternehmen empfinde er als unübersichtlich und mühsam. Er hat auch schon ans Verkehrsministerium geschrieben, das von Winfried Hermann (Grüne) geführt wird. Von einem grünen Minister erwarte er, dass er sich für einen funktionierenden öffentlichen Nahverkehr einsetzt und daran arbeitet, die Situation zu verbessern.
Eine Sprecherin der Deutschen Bahn reagiert auf die Presseanfrage der „Schwäbischen Zeitung“und erklärt das eingeschränkte Platzangebot im Interregio nach Ulm so: „Im konkreten Fall hatten wir eine erhöhte Anzahl von Fahrzeugstörungen. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, diese zu beheben und in den nächsten Tagen wieder im gewohnten Umfang unterwegs zu sein.“Außerdem fügt sie an: „Bei unseren Fahrgästen entschuldigen wir uns ausdrücklich.“Allerdings sei auch die Zahl der Passagiere noch nicht wieder auf Vor-Corona-Niveau.
Das kann Veit bestätigen, rechnet aber damit, dass mit dem Ende der Sommerferien die Nachfrage wieder steigt. Auch die Erklärung, dass viele Züge defekt sind, kann er gut nachvollziehen – auch bei den Wagen, die auf der Strecke unterwegs sind, seien oft einzelne Teile defekt: Toiletten funktionierten nicht, Türen ließen sich nicht öffnen. „Es besteht offensichtlicher Reparaturbedarf. Aber vielleicht gehört auch der ein oder andere Zug einfach mal ausgemustert“, sagt Veit. Schließlich sei das Problem nicht neu – der IRE von Basel nach Ulm sei auch schon vor der Corona-Pandemie immer wieder mit nur einem Waggon gefahren.
Dass gerade jetzt Gedränge im Zug eigentlich zu vermeiden wäre, ist auch der Bahn bekannt. Das Unternehmen verweist wortreich darauf, dass die Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden müsse.
Auch in Linienbussen in Ravensburg gibt es das Problem, dass zeitweise Passagiere eng an eng sitzen und stehen. Am Wochenende berichtet dies ein Nutzer der Linie 3 aus der Stadt in Richtung Gornhofen. Statt große Gelenkbusse einzusetzen, fuhren dort Linienbusse ohne höheres Platzangebot. Dazu teilt die Sprecherin des Verkehrsverbundes Bodo, Anne Hackert, mit: „Es ist mit allen Verkehrsunternehmen im Bodo vor einiger Zeit vereinbart worden, dass nach Fuhrpark-Möglichkeit immer die größtmöglichen Fahrzeuge eingesetzt werden.“Wenn Fahrgastzahlen wieder steigen, habe das auch Auswirkungen auf die Wahl der Fahrzeuge. „Jedoch muss man auch ehrlich sagen, dass ein Fuhrpark am Ende seine Grenzen hat“, so Hackert.