Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Charme-Offensive bei Bus und Bahn
Politik und Verkehrsbetriebe wollen Sicherheitsgefühl im öffentlichen Nahverkehr stärken – Maskenpflicht soll stärker kontrolliert werden
BERLIN - Busse und Bahn werben um neues Vertrauen der Fahrgäste. Mit einer Kampagne wollen Politik und Unternehmen das Sicherheitsgefühl im öffentlichen Nahverkehr stärken. Die Branche befürchtet andauernde Einnahmeausfälle.
Busse und Bahnen füllen sich langsam wieder. Doch noch sind die Fahrgastzahlen weit von der Normalität entfernt. „Die Auslastung liegt bundesweit wieder bei 60 bis 70 Prozent“, erklärt der Verband der Verkehrsunternehmen. Am Tiefpunkt der Krise im April waren es nur 20 Prozent. Mit einer gemeinsamen Kampagne wollen Politik und Verkehrsunternehmen nun für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln werben. „#BesserWeiter“lautet der Slogan. Denn die Branche befürchtet, dass viele Kunden dauerhaft auf das Auto umsteigen könnten. „Wir stellen fest, dass der Individualverkehr mehr wird“, sagt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), wir müssen jetzt Vertrauen zurückgewinnen.“
Die mangelnde Auslastung hat zwei unerwünschte Nebenwirkungen. Die Einnahmen der Verkehrsbetriebe reichen nicht aus, um das stabil gehaltene Angebot zu finanzieren. Zwar federn Bund und Länder in diesem Jahr die Verluste von bis zu sechs Milliarden Euro ab. Das hat die EU-Kommission auch schon genehmigt. Doch wenn sich die Lage nicht stabilisiert, wird es weitere Löcher in den Kassen geben. Der zweite Grund ist die angestrebte umweltfreundliche Mobilität. „Wir werden die Verkehrswende nicht schaffen, wenn wir jetzt wieder auf das Auto umsteigen“, warnt Burkhard Jung, der Chef des Deutschen Städtetags und Leipzigs Oberbürgermeister.
Noch immer haben viele potenzielle Kunden Angst, in Busse und Bahnen einzusteigen. Ein neuer Vertrauensindex
des Verkehrsministeriums belegt die Furcht. Der Index liegt bei gut 47 von 100 Punkten, die ein maximales Vertrauen bedeuten würden. Ein Grund für die Skepsis sind die Maskenmuffel. Sie bilden nach Angaben der Verkehrsunternehmen zwar nur eine kleine, aber wachsende Minderheit und verärgern vorsichtige Mitfahrer. Mit verstärkten Kontrollen und notfalls auch mit Bußgeldern wollen Bund und Länder die Disziplin heben. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat die Bundesländer aufgefordert, einheitliche Bußgelder bei Verstößen gegen die Maskenpflicht einzuführen.
Auch die Deutsche Bahn hat mehr Kontrollen für den Fernverkehr angekündigt. In den Fernzügen wird die Zahl der Kontrollen verdoppelt und bei Verstößen mit der Bundespolizei kooperiert. „Wir brauchen klare Regeln“, sagt Saarlands Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD), die derzeit die Verkehrsministerkonferenz leitet. Die Kampagne der Branche soll das Image der Masken heben. „Aus der Pflicht muss eine Kür werden“, sagt Jung. Der öffentliche Nahverkehr sei ohnehin kein Corona-Hotspot.
Wenn Bussen und Bahnen die Rückkehr zur normalen Auslastung nicht gelingen sollte, wirft dies den Ausbau den ÖPNV weit zurück. Die Verkehrsbetriebe wollen nicht nur ihre Kosten zum Teil decken. Sie wollen mit neuen digitalen Angeboten auch Marktanteile gewinnen und so zu lebenswerteren Städten und dem Klimaschutz beitragen. Ideen gibt es genug, von der Auslastungsanzeige per App über Rufbusse in Randgebieten bis hin zum elektronischen Ticketing. Ministerin Rehlinger stellt klar, dass dies nicht über Preiserhöhungen finanziert werden darf. Die Einnahmeausfälle müssten durch öffentliches Geld kompensiert werden, fordert sie.