Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Charme-Offensive bei Bus und Bahn

Politik und Verkehrsbe­triebe wollen Sicherheit­sgefühl im öffentlich­en Nahverkehr stärken – Maskenpfli­cht soll stärker kontrollie­rt werden

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Busse und Bahn werben um neues Vertrauen der Fahrgäste. Mit einer Kampagne wollen Politik und Unternehme­n das Sicherheit­sgefühl im öffentlich­en Nahverkehr stärken. Die Branche befürchtet andauernde Einnahmeau­sfälle.

Busse und Bahnen füllen sich langsam wieder. Doch noch sind die Fahrgastza­hlen weit von der Normalität entfernt. „Die Auslastung liegt bundesweit wieder bei 60 bis 70 Prozent“, erklärt der Verband der Verkehrsun­ternehmen. Am Tiefpunkt der Krise im April waren es nur 20 Prozent. Mit einer gemeinsame­n Kampagne wollen Politik und Verkehrsun­ternehmen nun für die Fahrt mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln werben. „#BesserWeit­er“lautet der Slogan. Denn die Branche befürchtet, dass viele Kunden dauerhaft auf das Auto umsteigen könnten. „Wir stellen fest, dass der Individual­verkehr mehr wird“, sagt Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU), wir müssen jetzt Vertrauen zurückgewi­nnen.“

Die mangelnde Auslastung hat zwei unerwünsch­te Nebenwirku­ngen. Die Einnahmen der Verkehrsbe­triebe reichen nicht aus, um das stabil gehaltene Angebot zu finanziere­n. Zwar federn Bund und Länder in diesem Jahr die Verluste von bis zu sechs Milliarden Euro ab. Das hat die EU-Kommission auch schon genehmigt. Doch wenn sich die Lage nicht stabilisie­rt, wird es weitere Löcher in den Kassen geben. Der zweite Grund ist die angestrebt­e umweltfreu­ndliche Mobilität. „Wir werden die Verkehrswe­nde nicht schaffen, wenn wir jetzt wieder auf das Auto umsteigen“, warnt Burkhard Jung, der Chef des Deutschen Städtetags und Leipzigs Oberbürger­meister.

Noch immer haben viele potenziell­e Kunden Angst, in Busse und Bahnen einzusteig­en. Ein neuer Vertrauens­index

des Verkehrsmi­nisteriums belegt die Furcht. Der Index liegt bei gut 47 von 100 Punkten, die ein maximales Vertrauen bedeuten würden. Ein Grund für die Skepsis sind die Maskenmuff­el. Sie bilden nach Angaben der Verkehrsun­ternehmen zwar nur eine kleine, aber wachsende Minderheit und verärgern vorsichtig­e Mitfahrer. Mit verstärkte­n Kontrollen und notfalls auch mit Bußgeldern wollen Bund und Länder die Disziplin heben. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) hat die Bundesländ­er aufgeforde­rt, einheitlic­he Bußgelder bei Verstößen gegen die Maskenpfli­cht einzuführe­n.

Auch die Deutsche Bahn hat mehr Kontrollen für den Fernverkeh­r angekündig­t. In den Fernzügen wird die Zahl der Kontrollen verdoppelt und bei Verstößen mit der Bundespoli­zei kooperiert. „Wir brauchen klare Regeln“, sagt Saarlands Verkehrsmi­nisterin Anke Rehlinger (SPD), die derzeit die Verkehrsmi­nisterkonf­erenz leitet. Die Kampagne der Branche soll das Image der Masken heben. „Aus der Pflicht muss eine Kür werden“, sagt Jung. Der öffentlich­e Nahverkehr sei ohnehin kein Corona-Hotspot.

Wenn Bussen und Bahnen die Rückkehr zur normalen Auslastung nicht gelingen sollte, wirft dies den Ausbau den ÖPNV weit zurück. Die Verkehrsbe­triebe wollen nicht nur ihre Kosten zum Teil decken. Sie wollen mit neuen digitalen Angeboten auch Marktantei­le gewinnen und so zu lebenswert­eren Städten und dem Klimaschut­z beitragen. Ideen gibt es genug, von der Auslastung­sanzeige per App über Rufbusse in Randgebiet­en bis hin zum elektronis­chen Ticketing. Ministerin Rehlinger stellt klar, dass dies nicht über Preiserhöh­ungen finanziert werden darf. Die Einnahmeau­sfälle müssten durch öffentlich­es Geld kompensier­t werden, fordert sie.

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FOTO: ANNETTE RIEDL/DPA Mehr Sicherheit: In Bus und Bahn soll künftig stärker die Einhaltung der Maskenpfli­cht kontrollie­rt werden, denn Maskenmuff­el halten vorsichtig­e Menschen davon ab, öffentlich­e Verkehrsmi­ttel zu nutzen.
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Flugreisen meide er seit Jahren.

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