Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
So schwierig ist die Jobsuche während der Krise
Corona-Pandemie führt zum Anstieg der Arbeitslosigkeit im Landkreis
RAVENSBURG - Die Corona-Krise hat den Arbeitsmarkt stark getroffen. Im Landkreis Ravensburg lag die Arbeitslosenquote im Juni bei 3,6 Prozent – im Vorjahresmonat war sie bei 2,2 Prozent. Viele Arbeitslose machen sich Sorgen um ihre Zukunft auf dem Arbeitsmarkt – so wie ein 42Jähriger aus dem Bezirk der Arbeitsagentur Konstanz-Ravensburg, der nur anonym von seiner Arbeitssuche berichten will.
„Ich habe vor Corona gekündigt, um mir eine Auszeit in Nepal zu nehmen und dann den Arbeitsbereich zu wechseln“, erzählt der Arbeitssuchende, der in einem großen Unternehmen in der Region als Betriebswirt gearbeitet hat. Doch seinen Plänen kam Corona dazwischen. Wegen der Pandemie konnte er nicht mehr nach Nepal gehen und in seinem gewünschten Arbeitsbereich haben sich die Jobchancen rapide verschlechtert. Die größten Herausforderungen in der Arbeitslosigkeit sieht er darin, Vorstellungsgespräche zu bekommen. „Es sind gerade nur wenige Stellen ausgeschrieben, deshalb habe ich mich viel initiativ beworben, aber nur Absagen bekommen, dass sie gerade niemanden einstellen.“
Der Pressesprecher von der Agentur für Arbeit Konstanz-Ravensburg, Walter Nägele, kennt die Problematik. Im Juni 2020 waren 5948 Bürger im Landkreis Ravensburg arbeitslos, 2285 Menschen und damit 62 Prozent mehr als im vorherigen Jahr im gleichen Monat. „Derzeit kann davon ausgegangen werden, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit unmittelbar auf die CoronaKrise zurückzuführen ist“, sagt Nägele. Auch die Prognose für die Zukunft sieht nicht gut aus: „Wir gehen momentan von einer weiteren leichten Zunahme der Arbeitslosigkeit aus. Entscheidend wird sein, wie schnell die Unternehmen in der Region die Kurzarbeit beenden können und sich die konjunkturelle Lage wieder stabilisiert.“
Vom Arbeitsamt erfährt der Arbeitslose nach eigenen Angaben ausreichend Unterstützung. Die Mitarbeiter würden die Situation kennen und wüssten daher, dass es momentan sehr schwierig sei. Deshalb machten sie auch keinen Druck. „Jedoch sind sie sehr pessimistisch und haben anscheinend keine große Hoffnungen, dass ich während Corona noch etwas finde.“Nägele sieht dies optimistischer: „Wichtig sind die eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse. Entsprechen diese den Anforderungen
des modernen Arbeitsmarkts, kann eine Arbeitsaufnahme schnell erfolgen. Der Arbeitsmarkt ist nicht eingefroren. Es finden täglich Vermittlungen statt.“Im Landkreis seien aktuell über 2000 offene Stellen gemeldet. Gesucht werde im Handwerk, Gesundheits- und Sozialwesen, in Bau- und Logistikberufen sowie in bestimmten Fertigungsund Produktionsbereichen. Am stärksten betroffen von der Krise seien das Hotel- und Gaststättengewerbe, der Einzelhandel, das Messe- und Veranstaltungswesen sowie Teile der Metall- und Elektroindustrie.
Der Arbeitssuchende war bereits vorher für kurze Zeit arbeitslos, doch damals habe er schnell wieder was gefunden. „Es war keine Krise und eine ganz andere Situation“, fasst er zusammen. Dennoch geht er davon aus, dass er noch während der Corona-Pandemie eine neue Arbeitsstelle findet, auch wenn er dazu viel Energie benötige und einige Niederlagen einstecken müsse. Finanzielle Probleme erleide er nicht, da er sich Rücklagen für die geplante Auszeit gespart habe. „Aber es ist bitter, wenn man darauf zurückgreifen muss und jeden Monat trotz Arbeitslosengeld I ins Minus kommt, weil man wie vorher lebt.“Von der belastenden Situation lenkt er sich durch
Gartenarbeit und Ausflüge in die Berge ab. Anderen Betroffenen rät er: „Man muss den Kopf hochhalten, es geht wieder aufwärts. Außerdem weiß man nie, wofür es gut war.“Mittlerweile habe er zwei Vorstellungsgespräche geführt, die ganz gut gelaufen seien.
Nägele hat die Erfahrung gemacht, dass jeder Betroffene unterschiedlich auf die Arbeitslosigkeit reagiert: „In vielen Fällen haben die Menschen Vertrauen in die regionale Wirtschaftskraft und hoffen auf eine baldige Rückkehr ins Arbeitsleben.“
Er rät Arbeitslosen, sich unmittelbar mit dem Arbeitsamt in Verbindung zu setzen, damit es keine Verzögerungen beim Arbeitslosengeld gibt. „Im nächsten Schritt geht es um eine Bestandsaufnahme: Was kann ich? Worin bin ich gut? Sind meine Bewerbungsunterlagen aktuell? Wo werden meine Fertigkeiten gebraucht und welche Fortbildungen bringen mich weiter?“Dies seien Fragen, die sich jeder selbst stellen solle. Mit der Arbeitsvermittlung könne dann konkret an der Rückkehr ins Berufsleben gearbeitet werden.