Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ziel: 20 neue Sozialwohn­ungen pro Jahr

Eigenbetri­eb der Stadt Ravensburg startet am 1. Januar ohne zusätzlich­es Personal

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - 20 neue Sozialwohn­ungen pro Jahr – mit diesem Ziel startet der neue Eigenbetri­eb „Städtische Wohnungen Ravensburg“zum 1. Januar 2020. Die Mitglieder des Verwaltung­s- und Wirtschaft­sausschuss­es sprachen sich einstimmig für die Gründung aus – die Zustimmung des Gemeindera­ts am kommenden Montag gilt nur noch als Formsache.

Nachdem die Stadt in den vergangene­n Jahren Sozialwohn­ungen verkauft hat oder sie aus der Sozialbind­ung herausgefa­llen sind, also nach Ablauf der Frist zu normalen Wohnungen ohne verbilligt­e Miete umgewandel­t wurden, schrumpfte der Bestand von ehemals über 700 auf derzeit 390 Wohnungen. Diese sind alle belegt, und zusätzlich gibt es eine Warteliste mit 150 Bewerbunge­n. Da Sozialwohn­ungen auf dem freien Markt kaum angeboten werden, weil sie keine attraktive Geldanlage darstellen, wird die Stadt nun aktiv: Sie überführt ihre Wohnungen in einen Eigenbetri­eb, der zusätzlich neue Wohnungen bauen lassen soll beziehungs­weise gezielt ältere Wohnungen für sozial Benachteil­igte aufkauft. Der Eigenbetri­eb wird mit einem Anfangskap­ital von vier Millionen Euro ausgestatt­et, davon drei Millionen Euro in Gebäudesac­hwerten. Die Stadtverwa­ltung erwartet, dass sich der Betrieb frühestens im Jahr 2030 finanziell trägt – bis zu diesem Zeitpunkt müssen die Defizite aus dem Kernhausha­lt ausgeglich­en werden.

Die Kommunalpo­litiker lobten das Vorhaben: Selbst die FDP rückte von ihren ursprüngli­chen Bedenken ab. „Ich habe mich von Herrn Engele in einer Minute überzeugen lassen, dass der Eigenbetri­eb der richtige Weg ist“, sagte der Fraktionsv­orsitzende der Liberalen, Oliver Schneider, in Richtung Kämmerer Gerhard Engele, der den Stadträten bei einem Vortrag eine Woche zuvor die Vorteile des Eigenbetri­ebs im Vergleich zu einer Städtebaug­esellschaf­t erläutert hatte. Ein wichtiges Argument ist beispielsw­eise, dass bei der Übertragun­g der jetzigen Wohnungen in den Betrieb keine Grunderwer­bssteuer anfällt und der Eigenbetri­eb kein eigenes Personal braucht – die 1,3 Stellen werden im Amt für Architektu­r und Gebäudeman­agement freigescha­ufelt. Zudem kann der Eigenbetri­eb auf Landesmitt­el uneingesch­ränkt zugreifen, und der Gemeindera­t oder seine Ausschüsse dürfen unmittelba­r über wichtige Themen mitbestimm­en.

Grüne, SPD und Bürger für Ravensburg (BfR) hätten sich die Gründung sogar schon früher gewünscht. „Endlich – Ausrufezei­chen!“, sagte Heike Engelhardt, Fraktionsv­orsitzende der Sozialdemo­kraten, die eine städtische Wohnungsba­ugesellsch­aft – in welcher Rechtsform auch immer – schon „seit Urzeiten“immer wieder gefordert hatte. Wilfried Krauss (BfR) wunderte sich nur, warum das nicht schon vor zwei Jahren möglich war, „als der Dachstuhl schon gebrannt hat“. Ozan Önder (Grüne) meinte, 20 Wohnungen im Jahr seien ein Anfang, aber nicht genug. „Müssten wir nicht noch mehr tun?“Er kritisiert­e zudem, dass neue Wohngebiet­e in Ravensburg zum Teil sehr schlecht an den ÖPNV angeschlos­sen seien und sieht diesbezügl­ich deutlichen Verbesseru­ngsbedarf.

Auch die CDU stimmte der Gründung zu. Fraktionsc­hef August Schuler forderte ein Baulückenk­ataster, um auszuloten, wo noch innerstädt­ische Flächen frei sind. Oberbürger­meister Daniel Rapp und Baubürgerm­eister Dirk Bastin machten aber klar, dass die innerstädt­ische Verdichtun­g eher in die Höhe gehen soll, als die letzte Grünfläche zwischen zwei Häusern zu versiegeln. Beispielsw­eise durch die Aufstockun­g von Dachgescho­ssen, wie es der Bauund Sparverein gerade in der Galgenhald­e praktizier­t. Zudem werde der Eigenbetri­eb den Wohnungsma­ngel nicht von jetzt auf gleich beseitigen können. Bastin: „Man kann und sollte keine Wunder erwarten – das ist nur der Anfang heute.“

Wo genau Projekte wie die „Fischerwie­se“entstehen könnten, die die Stadt Anfang der 2010er-Jahre bauen ließ, steht noch nicht fest. 100 der 200 Sozialwohn­ungen, die in den nächsten Jahren zusätzlich gebaut werden sollen, werden laut Bastin in den Ortschafte­n entstehen. Riesige Baugebiete nur mit Sozialwohn­ungen, die sich zu sozialen Brennpunkt­en entwickeln könnten, sind hingegen nicht geplant. Vielmehr sollen die neuen städtische­n Wohnungen in mehreren Gebieten verstreut werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany