Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Nato-Kommando in Ulm ist einsatzbereit
Ausbildung und Schutz, schnelle Truppen- und Materialtransporte im Fokus
ULM - Die Nato kann ab sofort für Ausbildung und Schutz ihrer Soldaten, schnelle Truppen- und Materialtransporte auf neue Fähigkeiten zurückgreifen: Ein neues, in Ulm stationiertes Kommando mit der Abkürzung JSEC (Joint Support and Enabling Command) hat am Dienstag offiziell den Status einer NatoDienststelle erhalten. Dazu wurde die sogenannte erste Einsatzbefähigung des Kommandos bestätigt. Die volle Einsatzbereitschaft ist für 2021 vorgesehen. Für Ulm als Standort des neuen Kommandos hatten sich die Nato-Verteidigungsminister im Juni 2018 auf Vorschlag der Bundesregierung entschieden. Ein weiteres Kommando, das für die gleichen Aufgaben quer über den Atlantik verantwortlich ist, wird in Norfolk (USA) aufgebaut.
Generalleutnant Jürgen Knappe, unter dessen Leitung das neue Kommando seit Herbst 2018 aufgebaut wurde, ist am Dienstag zufrieden: „Sehr zufrieden“, bestätigt der Offizier. Denn soeben hat er dem Vertreter des Nato-Oberbefehlshabers, dem griechischen General Vasileios Garmpis gemeldet, dass das Bündnis ab sofort auf besondere Kenntnisse und Fähigkeiten zurückgreifen kann: „Das JSEC kann Truppen im rückwärtigen Raum aufstellen, sie ausbilden, sie sichern und dem nächsten Nato-Hauptquartier zuführen“, beschreibt Knappe. Das Aufbau-Team habe „ganze Arbeit“geleistet und die entsprechenden Konzepte erarbeitet.
Dem JSEC sollen künftig „im Friedensbetrieb“272 Offiziere und Soldaten angehören, im Krisenfall bis zu 600 – dann jeweils zur Hälfte Personal aus Deutschland und den anderen Nato-Staaten insgesamt.
Nicht nur der griechische General zeigt sich beeindruckt: 93 Offiziere, darunter 31 Generäle und Admirale, aus 25 Nationen sind an diesem Dienstag nach Ulm gekommen, um zu erfahren, was das Bündnis vom JSEC angesichts einer veränderten Sicherheitslage erwarten kann: „Das sicherheitspolitische Umfeld hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges dramatisch verändert“, sagt General Garmpis, „die Grenzen zwischen der Front und dem rückwärtigen Raum haben sich eingetrübt.“
Was der griechische General nicht wörtlich sagt, was aber jeder Offizier im Raum weiß: Die Allianz reagiert auf die als aggressiv wahrgenommene Politik Russlands, darunter dessen Unterstützung prorussischer Separatisten in der Ukraine und die Annexion der Schwarzmeerhalbinsel Krim.
Auf diese Entwicklung hatte die Nato lange keine Antwort: In einem als geheim eingestuften Nato-Bericht hatten Militärs Zweifel Anfang 2018 daran geäußert, dass die Allianz noch angemessen und schnell genug auf einen russischen Überraschungsangriff reagieren könnte.
Sorgen bereiten neben dem Zustand militärisch nutzbarer Straßen und Gleise nach Osten bürokratische Hürden beim Transport von Truppen und Ausrüstung. „Im Grunde hatten wir keine Ahnung, wie wir beispielsweise eine US-Panzerbrigade von Antwerpen in Richtung Baltikum transportieren könnten“, sagt ein Offizier, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, „wir wussten nicht einmal, welche Brücken welche Lasten vertragen.“Das JSEC werbe in den Nato-Staaten nun um Zusammenarbeit: „Besonders in Osteuropa wird mit Argusaugen darauf geachtet, dass das Bündnis seine Zusagen tatsächlich einhalten kann.“