Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Gefundene Klarinette“kehrt zum Besitzer zurück

Manfred Lindner erzählte beim Konzert in Wolfegg unter anderem von einem Diebstahl

- Von Dorothee L. Schaefer

WOLFEGG - Gute zwei Stunden mit dem Klarinetti­sten Manfred Lindner, dem portugiesi­schen Bratschist­en Jano Lisboa und dem Pianisten Paul Rivinius haben am Sonntag in Wolfeggs Alter Pfarr unter dem Titel „Die gefundene Klarinette“für eine der unterhalts­amsten und berührends­ten Matineen gesorgt. Und obwohl eine große Anzahl der Gäste bereits im vorigen Jahr bei der Premiere desselben Programms zugegen gewesen waren, hatten sie offenbar wieder großes Vergnügen an seiner „Erzählung“aus dem Leben, den Freuden und Leiden eines Musikers.

Spürbar bewegt zunächst der Dank an das Profi-Team der Schlossfes­tspiele – auch hier war die Absage der erkrankten Pianistin Neus Estarellas sehr spät erfolgt und über den Bratschist­en in Paul Rivinius kurzfristi­g ein idealer Begleiter gefunden worden, was der scheidende Intendant Thomas Wördehoff in seiner Begrüßung vorher geschilder­t hatte. Das Umblättern übernahm Katrin Kirsch, Leiterin des Künstleris­chen Betriebsbü­ros. Ja, so ist das in der Musik: Flexibilit­ät, blitzschne­lles Reagieren, Anpassungs­fähigkeit, uneitle Mitarbeit, gehört alles dazu.

Für jene, die zum ersten Mal dabei waren, gab Lindner noch mal die Eckdaten seiner Geschichte: 2009 wurden ihm seine beiden Instrument­e im Koffer in Warschau gestohlen, nach sieben Jahren erhielt er den Hinweis, dass sie jemand in Albanien auf einem Flohmarkt gekauft und anhand der eingeprägt­en Nummern herausgefu­nden habe, dass sie als gestohlen gemeldet waren. Kein Märchen, trotz mancher Seltsamkei­ten: Lindner bekam sie zurück, im originalen Kasten, sogar das verschimme­lte Zungenblät­tchen war noch dabei. Wer hatte sie wohl gespielt oder in Händen gehalten? Das war nicht mehr herauszufi­nden, die Klarinette­n wurden vom Fachmann hergericht­et und Lindner endlich wieder in seiner Klangheima­t angekommen. Nein, er wolle nichts zum Programm sagen, sondern mehr darüber sprechen, was einem Musiker widerfahre­n kann, der von Kind auf mit seinem Instrument vertraut ist und damit jeden Tag seines Lebens verbringt.

Oder zum Verhältnis von Musiker und Publikum, auf das er angewiesen sei, dessen Reaktionen, Augenkonta­kt und Äußerungen er brauche wie das Ein- und Ausatmen beim Spielen. Neben all diesen Erzählunge­n, spontan dargebrach­t und wohltuend ungeschlif­fen, kam dennoch die Musik nicht zu kurz. Eine schöne Idee war der Rahmen von drei aus Max Bruchs „Acht Stücken für Klarinette, Viola und Klavier op. 83“, dazu zwei Soloauftri­tten mit Klavierbeg­leitung von Klarinette und Viola und einem Trio von Mozart, insgesamt ein musikalisc­her Zeitraum zwischen 1785 und 1940.

Dass dieses Trio zum allererste­n Mal zusammensp­ielte, konnte man kaum glauben: alles aus einem Guss, wunderbar ineinander verflochte­n Viola und Klarinette und umspielt vom Klavier bei Bruch, ein runder Mozart-Ton im Trio „Kegelstatt“in Es-Dur KV 498, solistisch­e Highlights in der Klarinette­nsonate op. 84 des ungarischj­üdischen Komponiste­n Hans Gál (1890-1987) und in der für Bratsche arrangiert­en, energiegel­adenen Brahms-Sonate f-Moll op. 120/1 von 1894. Großer Applaus, nicht nur für das Können dieser Musiker, sondern für die Begegnung mit ihnen auf Augenhöhe – denn wie sagte es Manfred Lindner so treffend: „Wir sind Musiker, um die Distanz aufzuheben.“Dafür ist ihm der Dank des Publikums sicher.

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FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER In etwas veränderte­r Besetzung musizierte­n der Klarinetti­st Manfred Lindner (r.) zusammen mit dem Bratschist­en Jano Lisboa und dem Pianisten Paul Rivinius in Wolfeggs Alter Pfarr.

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