Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein als Nein gemeintes Ja

Die Chefs des Lichtkonze­rns Osram empfehlen die Annahme des Übernahmea­ngebots trotz großer Bedenken

- Von Carsten Hoefer

MÜNCHEN (dpa) - Die Osram-Chefetage empfiehlt den Aktionären des zum Verkauf stehenden Lichtkonze­rns ein Übernahmea­ngebot aus Österreich, dessen Erfolgscha­ncen die Manager selbst bezweifeln. In der am Montag veröffentl­ichten Stellungna­hme äußerten Vorstand und Aufsichtsr­at des Münchner Traditions­unternehme­ns eine ganze Reihe gravierend­er Bedenken gegen die Offerte des österreich­ischen Sensorhers­tellers AMS. So sieht die OsramLeitu­ng das Risiko, dass die wesentlich kleinere AMS sich sowohl finanziell als auch organisato­risch überheben könnte. Die IG Metall will die Übernahme weiter verhindern; auch Konzern- und Gesamtbetr­iebsrat bei Osram leisten Widerstand.

Doch da AMS den Osram-Aktionären gut 300 Millionen Euro mehr bietet als die eigentlich vom Vorstand bevorzugte­n US-Finanzinve­storen, sprechen sich Management und Aufseher dennoch für AMS aus. Die Arbeitnehm­er gaben im Aufsichtsr­at ein Sondervotu­m gegen AMS ab, wurden aber überstimmt. Die Österreich­er haben große Pläne: „Wir haben die Möglichkei­t, einen europäisch­en Champion zu schaffen“, sagte AMS-Chef Alexander Everke in München. Als Beispiele nannte AMS die Entwicklun­g neuer optoelektr­onischer Produkte für Mobiltelef­one, Autoindust­rie und Medizintec­hnik, die Sensoren und LED-Beleuchtun­g kombiniere­n. Hauptkunde von AMS ist Apple, unter anderem liefern die Österreich­er die Sensorik für iPhone-Displays und 3-D-Gesichtser­kennung.

AMS bietet 38,50 Euro je Aktie. Das wären insgesamt etwa 3,7 Milliarden Euro, während die US-Finanzinve­storen Bain Capital und Carlyle nur knapp 3,4 Milliarden Euro offerieren. AMS senkte die Annahmesch­welle für das Angebot. Das in der Steiermark ansässige Unternehme­n will sich nun zufrieden geben, wenn die Eigentümer von 62,5 Prozent der Osram-Aktien zustimmen. Die IG Metall forderte die Osram-Aktionäre auf, nicht zuzustimme­n. Die ursprüngli­che Schwelle war 70 Prozent.

AMS-Chef Everke gab sich siegesgewi­ss, dass der Übernahmev­ersuch trotz des Widerstand­s erfolgreic­h sein wird: „Wir kriegen sie (die Schwelle). Ich bin kein Fan von Plan B oder C.“AMS will nach eigenen Angaben mit der Senkung der Übernahmes­chwelle schneller zum Ziel kommen.

Hauptbeden­ken sowohl im Osram-Management als auch bei den Arbeitnehm­ern sind die von AMS geplante Milliarden­finanzieru­ng auf Pump, Zweifel an der Fähigkeit der Österreich­er, die Übernahme zu bewältigen, und Angst vor einer drohenden Zerschlagu­ng des mehr als 110 Jahre alten Münchner Traditions­unternehme­ns.

IG Metall will kämpfen

„David übernimmt hier Goliath“, sagte Irene Schulz, geschäftsf­ührendes Vorstandsm­itglied der IG Metall. „Das Konzept halten wir für sehr überambiti­oniert. AMS hat keine Erfahrung mit Übernahmen dieser Größenordn­ung.“

Im Zuge der Übernahme will AMS „mehrere Hundert Stellen“in Deutschlan­d abbauen, aber auch einige Hundert Ingenieure einstellen, wie AMS-Chef Everke sagte. Den Widerstand der IG Metall und des Osram-Betriebsra­ts will AMS überwinden: „Wir wollen und werden dort nicht aufgeben und einen konstrukti­ven Dialog haben“, sagte Everke.

Doch auch das Osram-Management ist von der Offerte keineswegs überzeugt, wie aus der Stellungna­hme von Vorstand und Aufsichtsr­at hervorgeht. Vorstandsc­hef Olaf Berlien will seine eigenen 31 750 Aktien nicht an die Österreich­er verkaufen. Um Osram übernehmen zu können, will AMS ungeachtet einer jetzt schon hohen langfristi­gen Verschuldu­ng von mehr als 1,4 Milliarden Euro weitere Kredite in Höhe von knapp 3,9 Milliarden Euro aufnehmen. Eine Kapitalerh­öhung von 1,5 Milliarden Euro soll frisches Geld bringen.

Dass das wie vorgesehen gelingt, sehen Vorstand und Aufsichtsr­at bei Osram skeptisch. Sollte die Refinanzie­rung nicht gelingen, würde dies negative Folgen nicht nur für die Aktionäre des zusammenge­schlossene­n Unternehme­ns, sondern auch für Mitarbeite­r, Geschäftsp­artner und andere Stakeholde­r nach sich ziehen, heißt es in der Stellungna­hme.

Außerdem sehen Osram-Vorstand und -Aufsichtsr­at die Gefahr, dass AMS sich mit Osram schlicht überheben könnte: AMS könnte wegen geringer Erfahrung mit der Integratio­n großer Unternehme­n die Integratio­n von Osram misslingen, warnt die Osram-Chefetage.

Die ins Hintertref­fen geratenen US-Finanzinve­storen Bain Capital und Carlyle haben noch die Möglichkei­t, ihr Angebot zu erhöhen. Die Annahmefri­st für beide Offerten läuft bis zum 1. Oktober.

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FOTO: DPA Zwei Frauen auf der Hauptversa­mmlung von Osram: Das österreich­ische Unternehme­n AMS will den Münchner Konzern kaufen – die Führung bei Osram glaubt aber nicht, dass die Übernahme gelingt.

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