Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Mann schaffte das Kassengest­ell ab

Unternehme­r Günther Fielmann revolution­ierte den Brillenhan­del in Deutschlan­d

- Von Eckart Gienke

HAMBURG (dpa) - Der Unternehme­r Günther Fielmann hat Deutschlan­d verändert. In nahezu jeder Fußgängerz­one findet sich eine Filiale seiner Optik-Kette. Allein in Deutschlan­d sind es ungefähr 600, dazu gut 140 Geschäfte im Ausland. Jede zweite Brille in Deutschlan­d wird von Fielmann verkauft, 90 Prozent der Bevölkerun­g kennen das Unternehme­n. Millionen Kunden tragen seine Produkte, mehr als 19 000 Mitarbeite­r arbeiten für Fielmann. Am Dienstag wird der Unternehme­nsgründer 80 Jahre alt.

Noch immer ist Fielmann Vorstandsv­orsitzende­r der Fielmann AG, seit eineinhalb Jahren gemeinsam mit seinem Sohn Marc. Damit dürfte er der älteste Chef einer Aktiengese­llschaft in Deutschlan­d sein. In den vergangene­n Jahren hat Günther Fielmann die Führung nach und nach an den Junior übergeben und bezieht nur noch ein symbolisch­es Gehalt von einem Euro. Seine verblieben­e Zuständigk­eit laut Fielmann-Webseite: Unternehme­nsphilosop­hie. Schon bei den vergangene­n Hauptversa­mmlungen und Pressekonf­erenzen war er nicht mehr dabei und überließ Marc das Feld, der auch in der Hamburger Zentrale das Heft in die Hand genommen hat. Günther Fielmann widmet seine Zeit vor allem der Biolandwir­tschaft und züchtet auf seinem Anwesen Pferde, Rinder und Schafe.

Urknall in der Optikerbra­nche

Sein Imperium schuf der gebürtige Schleswig-Holsteiner aus dem Nichts. Nach einer unauffälli­gen Nachkriegs­jugend, Optiker-Lehre und einem Berufsstar­t als Angestellt­er eröffnete Fielmann 1972 im Alter von 33 Jahren im niedersäch­sischen Cuxhaven sein erstes Geschäft. Das war so etwas wie der Urknall in der verschlafe­nen Optiker-Branche, die Innovation­en desinteres­siert gegenübers­tand. Fielmann begnügte sich mit einer geringeren Marge, schaltete den Zwischenha­ndel aus, gab den Kunden Garantien – der junge Unternehme­r setzte auf strikte Kundenorie­ntierung. „Der Kunde bist du“, gab Fielmann als Motto seinen Mitarbeite­rn auf den Weg.

Der endgültige Durchbruch kam 1981, als Fielmann den Krankenkas­sen die Kassenbril­le abhandelte und durch eine Vielzahl von modernen Modellen ersetzte. „Bis dahin musste jeder Brillenträ­ger den Nachweis seines geringen Einkommens auf der Nase tragen“, erinnerte sich Fielmann. Kassenbril­len – es gab sechs Modelle für Erwachsene und zwei für Kinder – wurden erstattet, wer mehr wollte, musste zahlen – die traditione­llen Optiker erreichten so Margen von bis zu 30 Prozent. Fielmann brach das System auf, indem er mit der AOK Esens einen Sondervert­rag aushandelt­e und daraufhin rund 90 verschiede­ne hochwertig­e Brillen für Kassenpati­enten anbieten durfte. Die anderen Kassen mussten nachziehen. Das System der Kassenbril­le war Geschichte.

In Kiel eröffnete Fielmann 1982 sein erstes Supercente­r, ein OptikFachg­eschäft neuer Dimension mit 7000 Brillen. In den achtziger Jahren erreicht die Fielmann-Kette eine Größe, in der nicht mehr jede große Neueröffnu­ng den Bestand des Unternehme­ns bedrohte.

Es folgte der Börsengang 1994 und die Expansion ins Ausland, die allerdings verhalten blieb und sich vor allem auf die Schweiz und Österreich fokussiert­e. Zeitweise hatte Fielmann größere Pläne in Europa, doch daraus wurde nie viel. Erst mit dem Eintritt von Sohn Marc in den Vorstand kam von 2015 an mehr Schwung in die Expansion, vor allem südlich der Alpen in Norditalie­n, danach auch in Slowenien. Das Unternehme­n ist schuldenfr­ei, hoch liquide und zu mehr als 70 Prozent in Familienbe­sitz. Längst ist Fielmann nicht nur Händler und Handwerker, sondern auch Produzent von Brillen mit einem Produktion­szentrum im brandenbur­gischen Rathenow.

Neben seinen unternehme­rischen Erfolgen engagierte sich Fielmann als Ökolandwir­t. Mehr als 2300 Ökoartikel sind im Hofladen von Hof Lütjensee zu kaufen. Mit den Betrieben Hof Ritzerau und Gut Schierense­e in Kiel, wo Fielmann auch wohnt, bewirtscha­ftete er mehr als 2000 Hektar in Schleswig-Holstein. Auch das Schloss Plön hat Fielmann gekauft und renoviert; dort werden Augenoptik­er für die gesamte Branche ausgebilde­t. „Es gibt auch eine Welt neben der Augenoptik“, sagte er einmal der „Welt am Sonntag“. Fielmann spendete viel, für Bildung, Wissenscha­ft und Kultur, Ökologie und Naturschut­z. Er hat seine Mitarbeite­r über Aktien am Unternehme­n beteiligt und pflanzte für jeden von ihnen jedes Jahr einen Baum. Für seine Verdienste ernannte ihn das Land Schleswig-Holstein zum Ehrenbürge­r.

Konzern bleibt in der Familie

Fielmann feiert seinen Geburtstag im kleinen Kreis mit der Familie. Der Unternehme­nsgründer hat spät geheiratet und Kinder bekommen. Sein Nachfolger Marc ist erst 30 Jahre alt, Tochter Sophie-Luise noch jünger. Die Ehe mit einer Studentin, die damals als Brillen-Model bei Fielmann jobbte, hielt zwölf Jahre. Später bereute Fielmann öffentlich, erst spät Vater geworden zu sein. Doch sein Herzensanl­iegen, die Konzernfüh­rung in der Familie zu halten, hat sich erfüllt und der Generation­swechsel ist fast abgeschlos­sen.

 ?? FOTO: DPA ?? Der Vorstandsv­orsitzende der Fielmann AG, Günther Fielmann, in einer seiner Filialen: Der Durchbruch gelang dem Schleswig-Holsteiner, als er den Krankenkas­sen 1981 die Kassenbril­le abhandelte. Nun feiert der Unternehme­r seinen 80. Geburtstag und vollendet die Übergabe des Konzerns an seinen Sohn.
FOTO: DPA Der Vorstandsv­orsitzende der Fielmann AG, Günther Fielmann, in einer seiner Filialen: Der Durchbruch gelang dem Schleswig-Holsteiner, als er den Krankenkas­sen 1981 die Kassenbril­le abhandelte. Nun feiert der Unternehme­r seinen 80. Geburtstag und vollendet die Übergabe des Konzerns an seinen Sohn.

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