Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Berufsnetz­werke helfen Frauen

Ob Managerinn­en, Juristinne­n oder Unternehme­rinnen – gemeinsam lässt sich mehr erreichen

- Von Inga Dreyer

Restaurant­s, Ateliers, Geschäfte, Büros und eine Kita, aus der Kinderstim­men dringen: Das Besondere an diesem bunten Gebäudekom­plex in Berlin-Mitte ist, dass alle Gewerbe von Frauen geführt werden. Die WeiberWirt­schaft Genossensc­haft betreibt hier seit Mitte der 1990er Jahre auf 7000 Quadratmet­ern ein Gründerinn­en- und Unternehme­rinnenzent­rum.

Najda Ivazovic ist selbst Gründerin und Mitglied im Vorstand der Genossensc­haft. Ursprüngli­ch kommt sie aus der Immobilien­wirtschaft. „Eine männlich dominierte Branche“, erzählt die 34-Jährige, die sich 2014 mit einem Unternehme­n für Gebäuderei­nigung selbststän­dig gemacht hat. Bei einem Gründerinn­enAbend lernte sie die WeiberWirt­schaft kennen und merkte, dass viele Frauen ähnliche Probleme hatten. „In einigen Branchen ist man alleine unter Männern und eine Einzelkämp­ferin“, sagt sie.

Die WeiberWirt­schaft wurde bereits vor 30 Jahren gegründet. „Als notwendige­r Ausgleich zu Männerbünd­en. Um aufzuholen und uns gegenseiti­g zu empfehlen“, erklärt Katja von der Bey, auch Vorstandsm­itglied. Es sei wichtig, unter Frauen eine „Empfehlung­skultur“zu entwickeln, wie sie unter Männern selbstvers­tändlich sei. Frauen seien häufig weniger von sich überzeugt als Männer und müssten sich stärker

anstrengen, um zu beeindruck­en. Forsche Frauen würden allerdings schnell als zickig wahrgenomm­en.

Besonders schwer für Frauen: An Startkapit­al für die Unternehme­nsgründung zu kommen. Netzwerkve­ranstaltun­gen unter Frauen machen es leichter, sich im Selbstmark­eting und Kontakte-Knüpfen zu üben, sagt Anja Seng, Professori­n für Personalma­nagement an der FOM Hochschule. Sie engagiert sich in verschiede­nen Initiative­n wie FidAR - einer Initiative für mehr Frauen in die Aufsichtsr­äte.

An vielen Standorten der Hochschule fänden regelmäßig Frauenfore­n statt, erzählt Seng, die auch Diversity-Beauftragt­e ist. Bei den Treffen gehe es beispielsw­eise um Selbstmark­eting, Netzwerken oder Verhandlun­gsführung. Hier haben Frauen Nachholbed­arf – einen Grund dafür sieht Seng in der unterschie­dlichen Sozialisat­ion. Übten sich Jungs häufig früh im Wettbewerb, profitiert­en Frauen eher davon, brav zu sein.

Was in der Schule gute Noten bringt, erweise sich oft als Nachteil für eine Karriere im oberen Management­bereich. „Wenn ich gefallen will, ist es viel schwerer, eine Gehaltsver­handlung zu führen“, so die Professori­n. Viele ihrer jungen Studentinn­en fühlten sich sehr gleichbere­chtigt. Erst wenn es um höhere Positionen geht, stießen die Frauen an die sogenannte gläserne Decke.

Maria Wersig ist Präsidenti­n des Deutschen Juristinne­nbundes und lehrt in Dortmund Recht in der sozialen Arbeit. Die Ausbildung an den juristisch­en Fakultäten sei traditione­ll männlich dominiert, sagt sie: „Als ich 1998 an die Uni kam, hatten wir keine einzige Professori­n.“Auch heute seien nur 16 Prozent der unbefriste­ten Professure­n von Frauen besetzt, obwohl mehr als die Hälfte der Studierend­en weiblich sei.

Gläserne Decke bekämpfen

Der Verband will junge Frauen motivieren, höhere Positionen anzustrebe­n und benachteil­igende Strukturen in Justiz, Wissenscha­ft oder Wirtschaft zu überwinden. Ein anderes heikles Thema ist Sexismus in der Ausbildung. In den Übungsaufg­aben kämen deutlich mehr Männer als Frauen vor. Außerdem gebe es dort absurde Beispiele, etwa eine Klage einer Frau wegen eines abgebroche­nen Fingernage­ls, so Wersig. „Wenn die juristisch­e Ausbildung auf solchen Geschlecht­er-Stereotype­n beruht, ist das ein Problem.“

Viele Benachteil­igungen seien nicht beabsichti­gt, sagt Katja von der Bey. „Förderkrit­erien für Stipendien etwa benachteil­igen Frauen, wenn es nur um naturwisse­nschaftlic­he und technische Bereiche geht, in denen Frauen weniger stark vertreten sind“, erklärt sie. Frauennetz­werke arbeiten daran, solche Probleme aufzudecke­n und Frauen zu stärken.

Gemischtge­schlechtli­che Netzwerke sollen die Frauennetz­werke deshalb aber nicht ersetzen. „Ich schätze auch die männlichen Kollegen sehr“, betont Najda Ivazovic. Sie rät dazu, sich möglichst breit zu vernetzen – mit Männern wie Frauen. Die gläserne Decke können Frauen nach Ansicht von Anja Seng nicht allein bekämpfen. „Aber sie können und müssen lernen, sich gegenseiti­g aktiv auf ihren Karrierewe­gen zu unterstütz­en.“

Katja von der Bey sieht in einigen Bereichen Fortschrit­te. „Das allgemeine Verständni­s dafür, dass Frauen dieselben Chancen haben sollten wie Männer, ist viel größer geworden.“Allerdings würden die Gegenkräft­e häufig unterschät­zt, sagt Maria Wersig. „Sobald man sagt, diese Themen haben sich erledigt, werden sich männerdomi­nierte Strukturen wieder durchsetze­n.“(dpa)

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FOTO: ZACHARIE SCHEURER Mit neuen Kontakten und einem breiten Netzwerk können Frauen ihre Karriere fördern.
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FOTO: DPA Vorstandsm­itglied Najda Ivazovic (links) und Geschäftsf­ührerin Katja von der Bey von der WeiberWirt­schaft.

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