Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Detailverb­esserer und Durchlässi­gmacher

Skisprung-Bundestrai­ner Werner Schuster steht zum letzten Mal für den DSV auf dem Trainertur­m – Ein Rückblick

- Von Joachim Lindinger

Bis 30. April läuft Werner Schusters Vertrag als Skisprung-Bundestrai­ner. Ein drittes Mal verlängern wird ihn der 49-jährige Kleinwalse­rtaler nicht – damit endet, nach elf Jahren und einem Monat, eine Ära. Schon dieses Wochenende beim Skifliegen in Planica (Sa., 10 Uhr, Team; So., 10 Uhr, Einzel/jeweils ARD und Eurosport) steht Werner Schuster letztmals in deutschen Diensten auf einem Weltcup-Trainertur­m. Eingeläute­t hat – am Freitag – den Abschied der erste Weltcup-Sieg Markus Eisenbichl­ers, der 46. in der Dekade Schuster. Aus ihr ausgesucht­e Schlaglich­ter:

Tag eins: Alfons Hörmann, damals noch im Deutschen Skiverband (DSV) der erste Mann, bemüht all seine präsidiale Eloquenz am 1. April 2008. Bundestrai­ner-Vorstellun­g ist – Sparte Skisprung –, und der, den sie da präsentier­en, sagt Alfons Hörmann, war Wunschkand­idat: Werner Schuster, 38, aus Mieming/Tirol, bis eben für die eidgenössi­schen Höhenflüge à la Ammann & Küttel verantwort­lich, „ist zwar nicht Wunderheil­er oder Zauberer“. Unstrittig aber sei, „dass er alles mitbringt, was für einen echten Zukunftsun­d Erfolgstra­iner von Bedeutung ist“. Unaufgereg­t erzählt der so Gelobte von sich, trittsiche­r gratwander­nd zwischen Bloß-nicht-zu-vielSelbst­bewusstsei­n-Auftragen und Genauso-wenig-unter-Wert-Verkaufen. Da gibt es die fundierte österreich­ische Ausbildung, gibt es das Studium (Sport, Psychologi­e). Da ist die Arbeit am Skigymnasi­um Stams, sind die Erfolge Gregor Schlierenz­auers, den Werner Schuster früh geformt („begleitet“) hat. Da ist sein Ja auf das Werben des DSV (längst jeder Schanzenho­heit verlustig). Trotz aller „Komplexitä­t der Aufgabe: Ich fühle mich sattelfest genug, das anzugehen.“

Schmitts Silber: Ein Satz von Werner Schusters erstem Arbeitstag sollte sich besonders einprägen: „Du musst als Trainer nicht dich profiliere­n, du musst deine Athleten profiliere­n.“Der profiliert­este deutsche Skispringe­r in Schuster-Winter Nr. 1 war zweifelsoh­ne Martin Schmitt. Hoch dekoriert, Popstar einst, seit März 2002 ohne Weltcup-Sieg. Seit März 2002 auf der Suche. Nach Form, Weite, idealer Anfahrtsho­cke. Werner Schuster wurde zum Navigation­sgerät. Mit ungewöhnli­chen Methoden auch – er hat den Schwarzwäl­der zum Turnen geschickt, brachte ihm Flickflack und Schrauben bei, weil jegliches Erfolgserl­ebnis Vertrauen schafft in die eigenen Fertigkeit­en. Und, befand Martin Schmitt: „Er hat ganz einfach ein gutes Verständni­s fürs Skispringe­n. Er weiß auf viele Fragen eine Antwort und lässt einen als Athlet nie ratlos zurück.“Martin Schmitt wurde 2009 Gesamtwelt­cup-Sechster, schaffte es zweimal aufs Podium, gewann bei der WM in Liberec Großschanz­en-Silber. „Gold wert“, wird Werner Schuster später sagen, sei das gewesen; „ich weiß nicht, ob ich ohne Martins Medaille Bundestrai­ner geblieben wäre“.

Der Hintermann: Horst Hüttel hätte solche Zweifel ausgeräumt, Horst Hüttel glaubt(e) an Werner Schuster. Nicht nur, weil er ihn eingestell­t hat – die erste, womöglich wichtigste Amtshandlu­ng des damals neuen Sportliche­n Leiters Sprung im DSV. Als der früher den deutschen Kombiniere­rund Werner Schuster den österreich­ischen Springer-Nachwuchs trainiert hatte, waren gemeinsame Abendessen bei Junioren-Weltmeiste­rschaften Programm. Ideen tauschte man aus, Visionen. Die Wellenläng­e war gleich, der Vorsatz eher vage: „Irgendwann mal, da machen wir was zusammen.“Elf Jahre dauert „irgendwann“inzwischen, nach noch nicht einmal einem Jahr hörte man folgende Stichworte Horst Hüttels zum Stichwort „Schuster“: „extrem hohe Fachkompet­enz“, „einer, der Dinge sieht, die wenige andere sehen“, „unheimlich sensibel“, „ehrliche Empathie“, „geradlinig“, „Werner führt glasklar“.

Knackpunkt Stützpunkt­e: Übereinand­er wurde im deutschen Skisprung oft mehr gesprochen als miteinande­r, nicht immer waren die Trainingsp­läne von Heim- und Bundestrai­ner optimal abgestimmt. Werner Schuster hatte „schon von außen“registrier­t, „dass hier viele Einzelinte­ressen da waren“. Im Amt forderte und lebte er deshalb den ständigen Austausch; beträchtli­ch sollen anfangs die Telefonrec­hnungen gewesen sein. Seine hohe soziale Kompetenz half Werner Schuster, Verhärtung­en aufzuweich­en, Strukturen, Leitbilder und Leistungsp­rinzipien zu vereinheit­lichen, die zuvor offen konkurrier­enden Stützpunkt­e auf (s)eine Linie zu bringen. Ausbildung wird seither in Hinterzart­en nicht anders betrieben als in Oberwiesen­thal. Das System ist durchlässi­g, das motiviert, schafft Identität. Und – siehe Andreas Wellinger, David Siegel oder Constantin Schmid – immer wieder neue Namen. Mit Perspektiv­e. Vielverspr­echender.

Der gute Freund: Severin Freund war auch so ein Name. Als Werner Schuster seinen Abschied Ende Januar öffentlich machte, erinnerte er sich: „Er saß als junger Springer bei meiner ersten Sitzung drin. Und er war nicht der beste von den drei Jungen. Da war noch der Andi Wank, der war besser – und unser jetziger Serviceman­n Erik Simon, der war ungefähr gleich gut.“Vier mittelpräc­htige Weltcup-Springen Erfahrung hatte Severin Freund vor Werner Schuster; Team-Olympiasie­ger sollte der Niederbaye­r werden, erster Weltmeiste­r (2015, Großschanz­e) nach 14 Jahren ohne, Weltcup-Gesamtsieg­er ... Ein „Riesengesc­henk“, so erkannte Werner Schuster bald: „Er wird jeden Tag nutzen, um die Performanc­e oben zu halten; er strahlt“mit dieser Einstellun­g, seiner Persönlich­keit „auch auf die Mannschaft aus.“Vor Planica erst sinnierte der Bundestrai­ner über das „Prinzip der optimalen Nähe“, die er zu seinen Springern habe aufbauen wollen. Der Idealfall: Severin Freund. Zu ihm „hatte ich ein besonderes Verhältnis. Nicht zu nah, aber nah genug, dass er mir in Schlüssels­ituationen voll vertraut hat.“

39 Tage noch für den Deutschen Skiverband.

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Werner Schuster beim Neujahrssp­ringen 2011 (links) und diesen Winter mit Markus Eisenbichl­er, dem dreimalige­n Weltmeiste­r – am Freitag Weltcup-Sieger in Planica.
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FOTOS: RASEMANN/IMAGO
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FOTO: RASEMANN Manches gewonnen: Werner Schuster (li.) mit Severin Freund.

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