Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Widerstände gegen Bankenfusion
Vorstände von Deutscher Bank und Commerzbank müssen Überzeugungsarbeit leisten
FRANKFURT - Die Vorstandschefs der Deutschen Bank und der Commerzbank haben am Donnerstag ihre Aufsichtsräte über die Gespräche zu einer möglichen Fusion beider Geldhäuser informiert. Die sind bisher nicht alle von den Vorteilen eines Zusammengehens überzeugt, das beide Institute, wie sie am Sonntag bekannt gegeben hatten, nun ausloten wollen. Offiziell gab es von beiden Banken keine Informationen, wie die Sitzungen verlaufen seien. Doch es war zu hören, dass Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing dem Kontrollgremium drei Stunden lang Rede und Antwort gestanden habe. Er sieht nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters gute Gründe für ein Zusammengehen mit der Commerzbank, habe allerdings auch darauf verwiesen, dass zu einer Entscheidung noch mehr Fakten benötigt werden.
Beide Institute haben offenbar schon damit begonnen, gegenseitig ihre Bücher zu prüfen. Zwar hatte die Politik, vor allem Bundesfinanzminister Olaf Scholz und sein Staatssekretär Jörg Kukies, Druck auf die Deutsche Bank ausgeübt, in solche Gespräche einzusteigen. Doch inzwischen scheint Sewing einer solchen Fusion offener gegenüberzustehen. Dass er sich zunächst gesträubt hatte, dürfte an den noch nicht abgeschlossenen „Hausaufgaben“liegen, etwa der Integration der Postbank in die Deutsche Bank.
Bei beiden Banken wehren sich vor allem die Arbeitnehmer gegen ein Zusammengehen. Denn sie fürchten den Verlust zehntausender Arbeitsplätze. An der ablehnenden Haltung der Arbeitnehmerseite habe sich nichts geändert, hieß es nach Informationen von Reuters aus dem Umfeld des Commerzbank-Aufsichtsrats. Der Vorstand habe Vorteile einer Fusion nicht darlegen können. Eine weitere Sitzung des Aufsichtsrats ist bei der „gelben Bank“zwar noch nicht anberaumt. Die Gespräche stehen jedoch etwas unter Zeitdruck. Denn bei beiden Banken finden am 22. beziehungsweise am 23. Mai die regulären Hauptversammlungen statt, auf denen die Aktionäre über eine mögliche Fusion abstimmen müssten. Sollte dieser Punkt auf die Tagesordnung gesetzt werden, dann müsste dies 30 Tage zuvor geschehen. Sollte das zu knapp sein, dann könnten die Hauptversammlungen aber auch verschoben werden.
Uneinigkeit unter Großaktionären
Neben den Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsräten sind aber auch verschiedene Großaktionäre wie das Emirat Katar, das sechs Prozent der Anteile an der Deutschen Bank hält, und der Vermögensverwalter Blackrock, der an beiden Instituten fünf Prozent hält, noch nicht überzeugt. Der amerikanische Finanzinvestor Cerberus befürwortet hingegen eine Fusion – er hält drei Prozent an der Deutschen und fünf Prozent an der Commerzbank, genauso wie der deutsche Staat, der mit gut 15 Prozent an der Commerzbank beteiligt ist.
Auf der Habenseite eines Zusammengehens stehen die Dominanz einer fusionierten Bank auf dem deutschen Markt und sinkenden Kosten für die IT – zumindest langfristig. Doch diese „Synergieeffekte“zu heben, das dauere Jahre und koste sehr viel, kritisiert Hans-Peter Burghof, Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim, „falls sie denn überhaupt in dem Ausmaß gehoben werden können, wie das Unternehmensberater bei solchen Fällen gerne ausrechnen“.
Auch der Chef der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), Herbert Hans Grüntker, weiß, dass die Integration einer Bank ein hartes Stück Arbeit ist. Die Helaba hatte etwa nach der Finanzkrise Teile der aufgelösten WestLB in ihr Haus integriert: Er habe „hohen Respekt vor der Aufgabe, die sich den handelnden Personen dort stelle, sagte er bei der Bilanzvorlage seines Hauses am Donnerstag, vor allem „angesichts der Auswirkungen und Herausforderungen, die sich auf das Kundengeschäft, die Mitarbeiter und die Anpassungen in der Infrastruktur bei einer möglichen Fusion ergeben“.
Unter Finanzmarktexperten wird eine mögliche Fusion weiter sehr kritisch gesehen: Bei einer Umfrage des Zentrums für Wirtschaftsforschung (ZEW) sprachen sich zwei Drittel von 174 Befragten dagegen aus. Die Nachteile würden deutlich überwiegen. Auch der oberste europäische Bankenaufseher, Andrea Enria von der EZB-Bankenaufsicht, hat Bedenken: Schiere Größe einer Bank dürfe nicht vor einer möglichen Abwicklung schützen, sagte er im Europäischen Parlament. Das aber könnte ein Beweggrund für den Druck aus der Politik zu der Fusion sein, vermutet Dirk Schiereck, Bankenprofessor der Technischen Universität Darmstadt: „Dann muss man später, wenn es wirklich schlimm kommt, nur ein Institut retten, das so groß ist, dass keiner der europäischen Partner auf die Idee kommt, irgendwelche Fragen zu stellen.“Das sei bei zwei Geldhäusern wohl kaum möglich.