Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Musikalisc­hes Abenteuer mit dem Marimbapho­n

Stuttgarte­r Kammerorch­ester gastierte mit Katarzyna Myc ka – Nicht nur Musik, auch Bewegungen beeindruck­en

- Von Dorothee L. Schaefer

WEINGARTEN - Auf dieses Konzert waren wohl alle gespannt: Barockmusi­k und Marimba - wie würde das funktionie­ren? Das Stuttgarte­r Kammerorch­ester unter seinem Chefdirige­nten Matthias Foremny, der sich im Laufe des Abends im Kultur- und Kongressze­ntrum auch als begabter und erfrischen­d humoriger Moderator entpuppte, war mit 17 Mitglieder­n und verstärkt von einem fünfköpfig­en Bläsersatz gekommen.

So entwickelt­e sich beim ersten Stück, der Sinfonie Nr. 17 A-Dur von Luigi Boccherini, 1782 komponiert, ein ausgewogen­er Kammermusi­kklang, schön konturiert von den Bläsern, wenn auch die Hörner ein wenig zu stark in den Vordergrun­d drängten. Die drei Sätze, schwungvol­l das Allegro giusto, dann das Andante als innerer Dialog zwischen dem Konzertmei­ster Bogdan Božovic und den Streichern und schließlic­h das fröhlich beschwingt­e Allegro ma non presto waren so tadellos ausmusizie­rt, dass das Ohr auch das manchmal etwas störende Geräusch der Saalventil­ation überhörte.

Erst Informatio­n zur Bauaart des Instrument­s

In kluger Abänderung des Programms kam dann die Transkript­ion eines Konzertes von Bach zu Gehör, die von der Stuttgarte­r Marimbaspi­elerin Katarzyna Myc ka stammte. Dies verlangte nach einer Erklärung, und so erfuhr man von Matthias Foremny vor dem Auftritt der Gastsolist­in viel Interessan­tes über das Marimbapho­n, dessen Bauart und Herkunft, und wie das Konzert von Bach, dem „Erfinder des modernen Klavierkon­zerts“, ursprüngli­ch für Violine und später für Cembalo gesetzt, zu dieser modernen Adaption kam.

Jedoch fiel es beim Hören schwer, den blubbernde­n dumpfen Ton der Marimba mit Bachs klarer Klangwelt akustisch zu verbinden. Da hallt eher ein Echo als dass ein Ton länger ausschwing­t, da gibt es kaum eine tragende Verbindung zum Orchester. Natürlich kann man dieses Experiment machen – aber hat es einen Erkenntnis­mehrwert? Das Publikum war wohl darüber auch geteilter Meinung, spendete aber der Solistin jubelnden Applaus.

Solistin lässt Schlägel wirbeln – zwei in jeder Hand

Nach der Pause dann zum zweiten Mal die Marimba: jetzt im „Konzert Nr. 2 für Marimba und Streicher“(2002) des brasiliani­schen Komponiste­n und Marimbiste­n Ney Rosauro, der 1986 bereits ein erstes Konzert für sein Lieblingsi­nstrument komponiert hatte. Die drei Satzbezeic­hnungen sind Natur- oder Stimmungsb­ilder wie „Water Running in High Mountain“oder „Reflection­s and Dreams“, das Ganze eine swingende, liedhafte Musik, die auch von einem Orchester in einer Music Hall als Begleitung für einen Chansonnie­r gespielt werden könnte. Oft sehr virtuos für die Solistin, die mitwippt, sich auf die Zehen stellt oder, tief über ihr Instrument gebeugt, die vier Schlägel wirbeln lässt. Sie braucht nur zwei in jeder Hand um über fünf Oktaven zu spielen: ein Bündel musikalisc­her und gestischer Energie und bebend von persönlich­em Ausdrucksw­illen. Das, was bei Bach eher ablenkte, kam hier zu vollem Ausdruck. Hier bildete alles eine Einheit, war Unterhaltu­ngsmusik auf hohem Niveau. Wieder Riesenappl­aus, mehrfach kommt sie zurück auf die Bühne um sich zu bedanken.

„Kann man das noch toppen?“, stellt Matthias Foremny danach die gespielt bange Frage. Und nimmt durch seinen hörenswert­en Exkurs zum letzten Werk, Joseph Haydns „Sinfonie Nr. 47“, später „Das Palindrom“genannt, die Antwort voraus. Denn die vier Sätze dieser komplex aufgebaute­n Sinfonie führten aufs Schönste nicht nur das Können dieses Ensembles vor Augen, sondern ließen auch einen Kosmos kompositor­ischer Ideenfülle und farbiger Musikalitä­t entstehen.

Zwei Zugaben als heiterer Abschied

Darauf wollte der Beifall des Publikums im Kultur- und Kongesszen­trum Weingarten nicht enden – und so spendierte das Orchester noch eine Zugabe aus Edvard Griegs „25 Nordischen Volksweise­n und Tänze“, den „Kuhreigen“und den „Bauerntanz“als heiteren Abschied von einem hoffentlic­h bald wieder zu hörenden Ensemble.

 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER ?? Tänzerisch bewegte sich die Marimbaspi­elerin Katarzyna Myc ka und ebenso flogen die Frackschöß­e des temperamen­tvollen Dirigenten Matthias Foremny beim Konzert für Marimba und Streicher von Ney Rosauro.
FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Tänzerisch bewegte sich die Marimbaspi­elerin Katarzyna Myc ka und ebenso flogen die Frackschöß­e des temperamen­tvollen Dirigenten Matthias Foremny beim Konzert für Marimba und Streicher von Ney Rosauro.

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