Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Liebling, ich habe den Camper geschrumpft
Angebot an kompakten Wohnmobilen und Caravans wächst – Branche greift Trend zu noch mehr Mobilität und Alltagstauglichkeit auf
FRANKFURT (dpa) - Weniger ist mehr, oder wie es Bayram Koc ausdrückt: „Das Entscheidende ist nicht die Größe, sondern das Wesentliche ist entscheidend.“Koc ist Geschäftsführer der Kaiser Fahrzeugbau im westfälischen Ascheberg und hat vor einigen Jahren den Trend zur Schrumpfkur, zu immer kleineren Fahrzeugen erkannt, der auch die Reisemobil- und Caravanbranche erreicht hat.
Noch 2015 war Koc mit Prototypen des Teardrop Caravan unterwegs, bis 2016 das erste handgefertigte Verkaufsmodell fertig war: ein tropfenförmiger Wohnwagen in den Abmessungen eines Kleinstwagens und damit weit kompakter als gewöhnliche Wohnwagen.
Beim Caravaning Industrie-Verband (CIVD) verzeichnet man schon seit Jahren, dass immer kompaktere Fahrzeuge angeboten werden, doch laut Geschäftsführer Daniel Onggowinarso spitzt sich der Trend zu. „Wir sehen, dass die Leute im Urlaub zusehends den Roadtrip-Charakter wollen und nicht mehr so lange an einem Ort bleiben. Dazu eignen sich vor allem kompaktere Fahrzeuge, die einfacher zu handeln sind.“Mit einem Zehn-Meter-Wohnmobil durch enge Gassen in Süditalien zu fahren – das wollen viele Kunden offenbar erst gar nicht ausprobieren.
Kocs konkrete Idee ist indes uralt: „Die Teardrop-Form gab es schon in den Vierzigern in den USA.“Neu ist aber: Kaiser Fahrzeugbau sei der erste Hersteller, der das Konzept in Deutschland verwirklicht. Es gibt mit dem Kulba Teardrop noch einen ähnlichen Hänger – die Kochzeile ebenfalls unter der Heckklappe – doch produziert wird dieser mit 3,34 Metern Länge ebenfalls sehr kompakte Wohnwagen in Lettland.
Leichtbau reduziert Gewicht
Aber auch der knapp 11 000 Euro teure Teardrop von Kaiser ist mit 600 Kilo so leicht, dass man ihn an der Deichsel geführt per Hand rangieren kann. Man hat fließend Wasser, Schlafplatz für zwei und auf Wunsch eine Dieselstandheizung oder ein Solarpanel auf dem Dach. Verzichten muss der Camper auf Toilette, Dusche, und gegessen wird draußen am Anklapptisch. Dass man gewissermaßen gezwungen sei, in der Natur zu sein, sieht Koc als Vorteil: „Es ist ja Camping.“
Auch alteingesessene Hersteller greifen den Kompakttrend auf. Dethleffs bewirbt seinen Caravan-Zwerg Coco mit einer Aufbaulänge von 4,60 Meter. Der mit 18 800 Euro und einem Leergewicht von gut 700 Kilo gelistete Wohnwagen bietet zwei Schlafplätze, Wohnraum und Bad, das allerdings nur aus einem platzsparenden Kippwaschbecken und einer Kassettentoilette besteht. Auch der Touring von Eriba, ein Modell im Retro-Look, bleibt unter der Marke von fünf Metern und bietet bis zu vier Schlafplätze. „Der kleinere Raum bedeutet keinen Verzicht“, sagt Onggowinarso.
Es sei die technologische Entwicklung, die dies ermögliche, denn auch viele Dinge im Innenraum sind geschrumpft: LEDs benötigen weniger Bauraum als Glühbirnen, TVBildschirme sind längst flat, es gibt Zusatzböden und clevere Klapplösungen, die den Raum multifunktional nutzbar machen.
Mit elektrischen Komponenten – wenn zum Beispiel Heizung, Fernseher, Klimaanlage, Licht oder Wasserfüllstände über ein Panel oder per App zentral gesteuert oder kontrolliert
werden können - steigt aber auch das Gewicht. „Dem wird mit Leichtbau entgegengesteuert“, so Onggowinarso. Und wenn das Gespann samt Zuladung die 3,5-TonnenGrenze überschreiten sollte, können Fahrer mit einem eintägigen Kurs mit Theorie und Praxis den Zusatzführerschein B96 machen.
Für Wohnmobile gibt es eine vergleichbare Zusatzlizenz nicht – aber angesichts des laut CIVD stark gewachsenen Angebots an kleinen Fahrzeugen auf Basis von Hochdachkombis oder Vans benötigen Reisemobilisten sie auch nicht unbedingt. „Im Vanbereich hat sich einiges getan“, stellt Onggowinarso fest. Das zeigt auch der Pössl-Umbau des Citroën Spacetourer mit Aufstelldach, Campster getauft, als Alternative zum 7500 Euro teureren VW California.
Bei Fiat muss nicht mehr alles auf dem Ducato basieren, auch den Talento im Kleinbusformat gibt es als Camper – von Karmann Mobil. Nissan bietet den mit fünf Metern gleich langen Lieferwagen NV300 als campingtauglichen Michelangelo mit Bettmodul und Küchenzeile.
Einen Grund, aus dem sich die Wohnmobile auf Van-Basis wachsender Beliebtheit erfreuen, sieht Onggowinarso auch in ihrer doppelten Nutzbarkeit: „Sie taugen anders als große Reisemobile für den Alltagseinsatz - die Kinder von der Schule abholen, den Wochenendeinkauf erledigen.“
Und auch eine Fahrzeuggattung tiefer wächst das Camping-Angebot: VW bewirbt den 4,53 Meter kurzen Caddy Beach mit Liegen und Außenzelt als „kleine mobile Ferienwohnung“. Auf Basis des 30 Zentimeter längeren Caddy Maxi als Ausbau von Reimo bekommt man dann auch noch Kochgelegenheit, Waschbecken, Tisch und Schränke dazu. Ebenfalls bei Spezialfirmen zu bekommen: Nachrüstsets mit Bett, Schränken und Kochmodulen für den Kofferraum von Minivans wie dem VW Touran.
„Der kleinere Raum bedeutet keinen Verzicht.“Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer Caravaning Industrie-Verband
Miniwohnwagen fürs Fahrrad
Selbst fürs Fahrrad gibt es mittlerweile Wohnanhänger. Die dänische Firma Wide Path Camper bietet ihren gleichnamigen von 1,50 Meter auf 2,80 Meter ausziehbaren 45 Kilo schweren Miniwohnwagen fürs Fahrrad an, der ein rund zwei mal knapp ein Meter messendes Bettmodul bietet, das zu Bank und Esstisch umfunktioniert werden kann. Das optionale Küchenpaket enthält Ofen, Kühlbox, Spülschüssel und einen faltbaren Wassertank, auch Solarzellen und USB-Buchsen gibt es. Die Preise beginnen bei 4000 Euro pro Minicamper.