Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Nächster Anlauf zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare
Evangelische Landeskirche Württemberg beschäftigt sich mit neuem Kompromiss – Kritiker sehen Diskriminierung
STUTTGART - Wie umgehen mit gleichgeschlechtlichen Paaren? Um diese Frage streitet die evangelische Landeskirche Württemberg seit Jahren. Nun gibt es einen neuen Vorschlag des Oberkirchenrats, über den die Synode, also das Kirchenparlament, am Mittwoch bei ihrer Herbsttagung in Stuttgart diskutiert. Für Kritiker ist bereits klar: Die Diskriminierung geht weiter.
Der Entwurf, der der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, sieht Folgendes vor: Gottesdienste, in denen die Verbindung zweier Männer oder zweier Frauen gefeiert wird, soll es maximal in einem Viertel aller Kirchengemeinden in Württemberg geben. Dafür muss die örtliche Gottesdienstordnung geändert werden. Das soll nur dann möglich sein, wenn das Pfarramt sowie drei Viertel des Kirchengemeinderats zustimmen. Außerdem soll sich ein gleichgeschlechtliches Paar zuvor bürgerlich verpartnert oder geheiratet haben.
Dies ist der nächste Versuch eines Kompromisses, den die verschiedenen Strömungen in der Landeskirche mittragen sollen. Die pietistisch geprägte „Lebendige Gemeinde“, die mit 44 Prozent die größte Gruppe in der Synode stellt, lehnt die Gleichbehandlung homosexueller Paare ab. Sie beruft sich auf die Bibel, wenn sie der Verbindung von Mann und Frau eine besondere Stellung einräumt. Bei der Herbstsynode vor einem Jahr war es zum Eklat gekommen. Ein mehrfach überarbeiteter Kompromiss zwischen den Pietisten und progressiveren Strömungen in der Landeskirche scheiterte. Für eine Zweidrittelmehrheit der knapp 100 Mitglieder fehlten zwei Stimmen.
Nicht vergleichbar mit Trauung
Seitdem habe Landesbischof Frank Otfried July mit allen Gruppen gesprochen, sagt sein Sprecher Oliver Hoesch. „Auf dieser Basis hat der Oberkirchenrat einen Entwurf erarbeitet.“Dieser beinhalte kein Detail, das von einer der Gruppen gänzlich abgelehnt werde. Unklar bleibt, wie der Gottesdienst gefeiert werden soll: Ist es eine Segnung? Eine Trauung wie die von Mann und Frau? Oder etwas anderes? „Es ist nicht vergleichbar mit einer Trauung“, kritisiert Heidi Fritz, Sprecherin des Bündnisses Kirche und Homosexualität in der Landeskirche. „Es ist keine Amtshandlung, lediglich eine Änderung der örtlichen Gottesdienstordnung – mit hohen Hürden.“Mit dieser Diskriminierung sei sie nicht einverstanden.
Gottesdienst wäre erstmals möglich
„Der entscheidende Punkt ist, dass es eine öffentliche Feier ist“, sagt Landeskirchensprecher Hoesch. Kirchenrechtlich ist dies in Württemberg bisher verboten. Außer in Württemberg können sich gleichgeschlechtliche evangelische Paare in allen anderen 19 Landeskirchen Deutschlands segnen oder gar trauen lassen – wie etwa in Baden.
Nicht mit allen habe der Bischof gesprochen, entgegnet Gisela Dehlinger. „Da haben sie mal wieder über uns statt mit uns geredet“, sagt die Mitgründerin der Initiative Regenbogen, die sich für die Segnung Homosexueller einsetzt und dafür, dass Geistliche in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften im Pfarrhaus leben dürfen. Seit dem Eklat vor einem Jahr habe sich viel getan. „Viele waren sauer, dass der Kompromiss damals nicht durchging.“Die Zahl der Kirchengemeinden, die sich der Initiative angeschlossen haben, stieg von 30 auf 78. Ihre Kritik am jetzigen Entwurf: „Da wird Diskriminierung festgeschrieben.“Die Beschränkung auf ein Viertel der Kirchengemeinden kritisiert sie scharf. „Deshalb lehne ich den Entwurf in dieser Form ab.“
Auch der Biberacher Dekan Hellger Koepff sagt: „Das Signal, das wir hier aussenden, ist klar ein Signal der Diskriminierung“– auch wenn die Kirchengemeinden in der Praxis wohl zunächst damit leben könnten. Zumindest bis die Schwelle der Gemeinden, die Gottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare anbieten, erreicht ist. „Dann muss sich die Synode in ein paar Jahren wieder damit befassen“, so Koepff.
Entschieden wird am Mittwoch noch nichts, erklärt Hoesch. Zunächst werden sich der Rechts- und der theologische Ausschuss damit befassen. „Das Spannende ist: Was kommt bei diesen Ausschussberatungen raus?“, sagt er. Sollte sich eine Zweidrittelmehrheit abzeichnen, werde July den Entwurf in die Frühjahrssynode einbringen.