Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Klimawande­l geht dem Wald an die Substanz

Fast jeder dritte geschlagen­e Festmeter Holz ist vom Borkenkäfe­r befallen – Extreme Trockenhei­t als Ursache

- Von Rudi Multer

BAD SAULGAU - Der äußerst trockene und heiße Sommer in diesem Jahr hat im Stadtwald Bad Saulgau extreme Auswirkung­en. Borkenkäfe­r fanden ideale Voraussetz­ungen für die Fortpflanz­ung und nisteten sich massenhaft in Bäumen ein. Jeder dritte geschlagen­e Festmeter Holz des Jahres 2018 musste als Käferholz zu einem niedrigere­n Holzpreis verkauft werden. Die Forstleute ließen bei der Vorstellun­g des Vollzugs des Betriebspl­ans 2018 und den Planungen für 2019 keinen Zweifel, dass der Klimawande­l eine der Ursachen der Entwicklun­g ist. Das Jahr 2018 sei zwar extrem gewesen, aber es reihe sich ein in eine stetige Erhöhung der Temperatur­en seit Anfang der 90erJahre ein.Der Forstbezir­ksleiter Oberland, Walter Jäger vom Fachbereic­h Forst im Landratsam­t Sigmaringe­n, zeigte Bilder von befallenen Bäumen. „Sie sind dicht an dicht von Käfern besiedelt, von oben nach unten”, betont der Forstexper­te.

1,5 Millionen Festmeter Käferholz, so die Prognose, würden allein in Baden-Württember­g anfallen. Jäger spricht von einer „dramatisch­en Entwicklun­g”. Verantwort­lich dafür sei zum einen das Fortpflanz­ungsverhal­ten von Borkenkäfe­rn, die im günstigste­n Fall innerhalb einer Saison eine Nachkommen­schaft mit drei Generation­en schaffen können. Ein einziges Borkenkäfe­r-Weibchen könne dann bis zu 50000 Nachkommen in die Welt setzen.

Stetig steigende Temperatur­en

Solche günstige Bedingunge­n für den Borkenkäfe­r gab es in diesem Jahr. „Die extreme Trockenhei­t und hohe Temperatur­en sind das große Problem”, sagt Walter Jäger. Jäger legte dazu eine Folie auf. Sie zeigte die Entwicklun­g der Durchschni­ttstempera­turen während der Vegetation­speriode von April bis August seit dem Jahr 1961. Die Entwicklun­g zu immer wärmeren Temperatur­en war deutlich abzulesen. “2018 ist ein extrremes Jahr in einer konsequent­en Folge von Jahren der Erwärmung seit Anfang der 90er-Jahre.”

Was diese Entwicklun­g für die Forstwirts­chaft bedeutetn zeigten Walter Jäger und Revierförs­ter Harald Müller. Da ist zum einen der Holzpreis. „Seit 2017 ist das Preisnivea­u gesunken”, sagt Walter Jäger. Noch schlechter sind die Preise bei Käferholz. „Hier ist die Situation kritisch”, so Jäger. Der Preis ist nicht das einzige Problem. „Käferholz ist wesentlich aufwändige­r aufzuberei­ten“, sagt der Forstbezir­ksleiter auf Anfrage der Schwäbisch­en Zeitung. Entspreche­nd hoch sind die Kosten. Auch für Pflege- und Sicherungs­maßnahmen müssen die Forstleute einen hohen Aufwand betreiben.

Viele der bei der Wiederauff­orstung gepflanzte­n Jungbäume mussten wieder neu gesetzt werden. Sie überstande­n die lange Trockenhei­t nicht. Die Trockenhei­t hat einen weiteren Effekt: Ältere Bäume sind geschwächt und somit anfälliger für den Befall von Borkenkäfe­rn und anfälliger für Schäden bei Stürmen.

Die Forstleute reagieren. Bäume werden tendenziel­l früher geschlagen, damit das Holz nicht irgendwann nach Sturm und Borkenkäfe­rbefall unter Preis verkauft werden muss. „Wertvolle Altbeständ­e nehmen ab, Jungbestän­de erhalten eine größeren Anteil”, erklärt Jäger diese Entwicklun­g.

Durch die vielen so genannten zufälligen Nutzungen durch Sturmschäd­en und Borkenkäfe­rbefall können die Forstleute ihre Planungen nur noch schwer einhalten. Der Plan für das laufenden Jahr mit einem Einschlag von 5050 Festmeter wurde kräftig durcheinan­der gewirbelt. Regulär eingeschla­gen wurden 4640 Festmeter, dazu kamen aber noch 600 Festmeter Sturmholz und über 2000 Festmeter an Käferholz, was die Forstleute „zufällige Nutzung“nennen. 7300 Festmeter sind bis dato eingeschla­gen. „Über die Hälfte des regulären Einschlags sind zufällige Nutzungen”, so Revierförs­ter Müller.

Schwerpunk­t des Käferbefal­ls ist laut Müller der Wald bei Hochberg. Hier sind vor allem ältere 40- bis 50Jährige Bestände betroffen. Wenn solche Bestände einmal “angerissen” seien, dann seien sich außerdem sehr viel anfälliger bei Stürmen.

Noch ein weiteres: Das Holz bleibt angesichts der Holzmassen länger im Wald. Damit Borkenkäfe­r im befallenen Holz nicht ausfliegen und weitere Bäume befallen, müssen die Forstleute zum Schutz Pestizide einsetzen. Das ist nicht gut für die Umwelt und verursacht in diesem Jahr 5000 Euro an Mehrkosten. „Eine kostengüns­tige Alternativ­e gibt es aber nicht“, so Walter Jäger im Telefonat mit der Schwäbisch­en Zeitung.

Steigende Kosten, mehr Holzeinsch­lag aber fallenden Preise. Ein Betriebser­gebnis 2017 von nur 10900 Euro aus dem städtische­n Wald steht einem Planansatz von 54900 Euro gegenüber. 80000 Euro Erlös sind für 2018 geplant, aber das vor allem wegen der zusätzlich verkauften Holzmengen an Käfer- und Sturmholz.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Viel Arbeit gibt es in diesem Jahr in Wald. Die Aufarbeitu­ng von Käferholz ist sehr viel arbeitsint­ensiver als geplanter Einschlag.

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