Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Feuerwehr ist nicht Mädchen für alles
Kommandanten in Landkreis Lindau ärgern sich, wenn Bürger die Retter als Dienstleister einsetzen wollen
KREIS LINDAU - Die Ansprüche der Menschen an die Feuerwehr gehen den Ehrenamtlichen oft zu weit. Das wurde bei einer Tagung der schwäbischen Feuerwehrkommandanten im Landkreis Lindau deutlich. Aufgabe der Feuerwehr ist die Rettung, aber nicht solche Tätigkeiten, die Betroffene selbst oder mit Handwerkern erledigen könnten.
„Und wenn nur ein Ast auf der Straße liegt“, riefen manche schon die Feuerwehr, sagt der Oberallgäuer Kreisbrandrat Michael Seger. Die ehrenamtlichen Männer und Frauen eilen dann von der Arbeit zum Feuerwehrhaus und fahren in Einsatzfahrzeugen los – mit der Information: Ein Baum liegt auf der Straße. Das ärgert den Feuerwehrmann. „Wir helfen gerne“, ergänzt Markus Barnsteiner, Kreisbrandrat des Ostallgäus. Aber: Die Feuerwehr sei kein Dienstleister.
Gerade bei Unwettern häuften sich überflüssige Anfragen. So riefen bei starkem Regen immer wieder Bürger wegen Wasser im Keller an, sagt der Lindauer Kreisbrandrat Friedhold Schneider. „Auch solche, bei denen Kübel und Putzlappen zum Aufwischen reichen.“Derlei Einsätze kosten Zeit. Zeit, in der ein anderer vielleicht wirklich Hilfe bräuchte, sagt Schneider.
Schwierigere Einsatzplanung
Die Einsätze vor Ort stemmen Freiwillige, sagt Seger. Die Männer und Frauen werden dafür nicht extra bezahlt. Aber sie bekommen vom Arbeitgeber ihr volles Gehalt, wenn sie zum Einsatz eilen. Wenn die Kräfte wegen eines Astes herbeigerufen werden, ärgert das die Kreisbrandräte auch aus einem anderen Grund: Die Einsatzplanung ist schwieriger geworden. Denn immer mehr Menschen arbeiten nicht mehr an ihrem Wohnort.
Etwa zehn Prozent der Wehren haben das Problem, dass die Aktiven tagsüber nicht greifbar sind, sagt Seger. Trotzdem müsse sich niemand Sorgen machen: Wenn es brenne, wird gelöscht. „Es ist nicht mein Feuer oder dein Feuer.“Die Planung habe sich angepasst, sagt Barnsteiner: „Es wird ein Kreis um den Ort gezogen.“Und gemeldet, wie viele Kräfte greifbar sind. Je nach Einsatz werden dann die angrenzenden Feuerwehren alarmiert. Dieser Kreis setzt sich auch über Landesgrenzen fort: von Baden-Württemberg bis Österreich.
Geht ein Alarm ein, müssen die Einsatzkräfte immer öfter damit rechnen, auf alte oder kranke Menschen zu treffen. „Den Rollstuhl erkennst du auf einen Blick“, sagt Schneider. „Demenz siehst du nicht.“Die Feuerwehrleute trainieren deswegen das Retten von gehbehinderten oder bettlägerigen Personen und den Umgang mit Kranken.
Etwa bei einem Wohnhausbrand: „Da kommen die meisten aus dem Fenster die Leiter runter“, sagt er. „Aber der Opa nicht.“Alte Menschen rette man sicherer auf einer Trage über die Drehleiter. Oder mit Tragegurten und Fluchthauben. Ziehen die Retter einer Person einen solchen Atemschutz über, können vier Männer sie bis zu 15 Minuten lang durch verrauchte Flure ins Freie tragen.
Schwierig werden solche Rettungseinsätze, wenn in einem brennenden Gebäude mehrere Personen nicht mobil sind. „Das nimmt künftig zu“, sagt Schneider. Dabei zählt er den Senior, der zu Hause gepflegt wird, ebenso mit wie Einrichtungen des „Betreuten Wohnens“. Letzteres berge Schwierigkeiten für die Retter: Altenheime seien anders ausgewiesen als solche Zentren. Denn diese Wohnform zähle als Eigenheim und besitze keine gesonderten Brandschutzauflagen. Anders als Pflegeeinrichtungen, wo beispielsweise eine Außentreppe als zweiter Fluchtweg Pflicht sei. Seger erinnert sich an einen Einsatz vor einigen Jahren: „Das war ein Bauernhof mit betreutem Wohnen mit etwa acht älteren Menschen.“In solchen Fällen werden weitere Kräfte herbeigerufen. Dennoch: Mehrere bettlägerige Senioren gleichzeitig zu retten, „ist für uns schwer zu handhaben“, ergänzt Schneider.
„Auch wenn zusätzliche Rettungswege notwendig sind“, sagt Schwabens Regierungsdirektor Rainer Hilsberg: „Baurechtlich ist es nicht forderbar.“Denn: Betreutes Wohnen gelte eben als Eigenheim, sagt der Jurist. Mit dem Unterschied: „Man kauft Pflegeleistung.“
Eine solche Leistung ist beispielsweise ein Notfallknopf. Wird er gedrückt, wird eine Anrufkette in Gang gesetzt. Mit solchen Alarmsystemen „kaufen Menschen Sicherheit“, sagt Barnsteiner. Viele Angehörige wohnen weit weg, sagt er. Etwa 50 Mal im Jahr rückt die Feuerwehr im Landkreis Lindau wegen solcher Systeme aus, sagt Schneider. Denn: Hebt der Notfallkontakt sein Telefon nicht ab, wird der Rettungsdienst alarmiert. „Aber der hat keinen Schlüssel.“Zum Türöffnen ruft man: die Feuerwehr.