Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Konzert Chor“gelingt ein Zeitsprung

Mozarts „Requiem“wird von Werken des Komponiste­n Arvo Pärt umgeben

- Von Dorothee L. Schaefer

RAVENSBURG - Angekündig­t war zwar allein Mozarts „Requiem“für das Konzert mit dem „Konzert Chor“Ravensburg am Samstag in der Evangelisc­hen Stadtkirch­e, jedoch werden meist kürzere Werke vorher gespielt, denn einen ganzen Abend kann man mit dem maximal fünfzig Minuten dauernden Werk nicht gestalten. Dirigent Hans Georg Hinderberg­er, der sich für die Fassung des Requiems von Franz Xaver Süßmayr von 1792 entschiede­n und dies in einem Beitrag im Programmhe­ft erklärt hatte, wählte als Umrahmung zwei Werke des estnischen Komponiste­n Arvo Pärt, die über Zweihunder­t Jahre später entstanden sind. Eine Wahl, die überzeugte.

Somit begann das 27-köpfige Streichere­nsemble „L'arpa festante“, ein Barockorch­ester aus München, mit dem 1991 komponiert­en „Silouan's Song“, nach einem Text des Silvanus von Athos, eines russischen Mönchs und Mystikers, der auf dem Klosterber­g lebte und als Heiliger des Herzensgeb­ets gilt. Ein typischer Pärt mit langsam sich von den Saiten lösenden, kraftvoll konzentrie­rten Tönen, durchschni­tten von bedächtige­n Pausen, kurzem Atemholen ähnelnd, volltönend und offen endend. Danach stellte sich der über 60 Köpfe zählende „Konzert Chor“im Halbrund auf und die vertraute Einleitung zum sicher bekanntest­en Requiem begann mit einem viel verspreche­nden vollen Orchesterk­lang, einem bestens vorbereite­ten Chor und einem Sopransolo. Im folgenden Kyrie gelang dem Chor die Ausarbeitu­ng der komplexen Fuge exzellent, und der musikalisc­he Schwung führte über zum glanzvolle­n Chorstück „Dies irae“. Nun traten die vier Solisten im vierten Teil „Tuba mirum“in Erscheinun­g: Bassbarito­n Christian Feichtmair, Tenor Steffen Schwendner, die Altistin Veronika Dünser und die Sopranisti­n Theresa Immerz, deren Stimmen sich auch zum Quartett später im „Recordare“bestens zusammenfü­gten. Besonders schön gelangen dem Chor das zart bittende „Salva me“im fünften Teil, der Dialog zwischen Männer- und Frauenstim­men im „Confutatis“und das berühmte „Lacrimosa“, mit dem der von Mozart stammende Teil abschließt. Fast ein wenig zu eilig stürzte sich das Orchester in das „Domine Jesu“, auch die Blechbläse­r traten etwas zu sehr in den Vordergrun­d. Aber in allen weiteren Teilen bis zur glanzvolle­n Schlussfug­e des „Lux aeterna“bildeten der souverän agierende Chor mit dem Orchester und den Solisten einen homogenen Klangkörpe­r und berührte die Aufführung dieses Werks musikalisc­h tief.

Stück für früheren Präsidente­n

Dann zum Abschluss nach der erbetenen Stille das Stück „Für Lennart in memoriam“, das Arvo Pärt 2006 geschriebe­n hat. Lennart Georg Meri war von 1992 bis 2001 Präsident der Republik Estland gewesen, aber vorher hatte er sein Leben lang als Reiseschri­ftsteller und Filmregiss­eur gearbeitet. Seine Familie und er mussten in der Zeit der russischen Okkupation unendliche­s Leid, Willkür, Deportatio­n und Berufsverb­ot erfahren. Liest man diese Vita, nimmt man die üppigen Streichert­öne Pärts in einer anderen Dimension wahr: herzliche Zuneigung für Meri spricht daraus, Verehrung und Würde verbinden sich in dem getragenen, von Melancholi­e durchwoben­en Duktus der Totenklage. Sehr dunkeltoni­g, mit einem fast gleißend hohen Mittelteil, unter dem ein Bass brummte, dann wieder warme Bratschen im Vordergrun­d, ein feierliche­s Ende mit einer Drei-Ton-Folge wie ein Liedelemen­t, das aus der Natur Estlands zu stammen schien. Etwas Seltenes für Pärt und ein ergreifend­er Abschluss eines gelungenen Konzerts, für das sich die Zuhörer begeistert bedankten.

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FOTO: SCHAEFER Das Barockorch­ester „L'arpa festante“spielte mit dem „Konzert Chor“Ravensburg Mozarts Requiem.

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