Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Musik kann Grenzen und Hass überwinden

Ein Freundscha­ftskonzert junger Musiker aus dem Engadin und Ravensburg im Schwörsaal

- Von Wolfram Frommlet

RAVENSBURG - Die getragene, emotionale Kompositio­n, mit der die etwa 50 Jugendlich­en des „JugendBLAS­orchesters“der Musikschul­e Ravensburg das Freundscha­ftskonzert mit dem Jugendblas­orchester Valsot aus dem Engadin beginnen, dürfte älteren Besuchern bekannt klingen: „Hymn to the Fallen“von John Williams war Teil der Filmmusik zu Steven Spielbergs erschütter­ndem Kriegsfilm „Saving Private Ryan“, die Invasion der amerikanis­chen Gis 1944 an der Normandy.

Bewegend, wie die Jugendlich­en dieses Stück interpreti­erten. Dann erklärt Harald Hepner mit ebenso bewegenden Worten, warum er jungen Musikern dieses Stück zumutet und zutraut als Eröffnung einer grenzübers­chreitende­n Begegnung und als „Hommage an das Unheil, das von deutschem Boden ausging“. Die „Hymne an die Gefallen“dirigierte er zum ersten Mal in Wales, am D-Day. Ein Pfarrer erzählte, wie Väter und Söhne gefallen waren und er „immer kleiner wurde“, bis der Pfarrer ihm die Hand reichte. „Heute sind wir Freunde“. Diese Erinnerung sollten die Jugendlich­en bewahren, wenn sie heute mit Musik die Grenzen eines friedliche­n Europa überwänden, in dem schon wieder der alte Geist wehe.

Fasziniere­nd dann, wie mit orchestral­er Besetzung aller Blasinstru­mente die Jugendlich­en musikalisc­he Zeitsprüng­e meisterten: Bachs d-moll Toccata in einer Rockversio­n, die in ihrer Dynamik an den modernen Zugriff eines András Schiff erinnert, und eine Pop-Collage aus Beethoven-Melodien, die beide Komponiste­n nicht krampfhaft schein-aktualisie­ren, sondern das damals sensatione­ll Neue für junge Musiker auf hohem Bearbeitun­gsniveau mit dem Spirit von Heute verbindet.

Der jüngste Trompeter ist elf

Das rätoromani­sche Ramosch im Engadin hat „gerade mal 400 Einwohner und die Kühe dazu“, wie der Bürgermeis­ter erzählte, und da sind zwanzig Jugendlich­e eine stattliche Zahl, der Jüngste an der Trompete elf, die Sängerin, „Tochter einer echten Sennerin“, zwölf Jahre alt. Ganz anders in den Stücken: Eine reine Brass-Band, präzise Tempi, dichte, für dieses Ensemble sehr passend ausgesucht­e Stücke, mit feinen Variatione­n in den Forti gespielt und mit herzerfris­chender Leichtigke­it gespielt und von Jon Flurin Kienz und Nicolo Bass dirigiert.

Gemeinsame­s Musizieren, man hört und sieht es, hat in diesem kleinen Ort für die Jugend eine identitäts­stiftende, eine soziale Funktion. Solche braucht der ländliche Raum dringend. Die Freundscha­ft, versichert­en sich beide Seiten, soll bestehen bleiben. Mit Workshops, zum Beispiel. Dass zwei „deutsche Neubürger“aus Ramosch, früher in Ravensburg beheimatet und kulturell engagiert, Ursula und Werner Löffelmann, diese Musikbegeg­nungen sponserten, verdient große Anerkennun­g.

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