Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Nur nicht aufgeben, Meister Gabler!

Premiere des Welfenthea­ters vor dem Schlössle begeistert aufgenomme­n

- Von Helmut Voith

WEINGARTEN - In Scharen sind die Besucher am Freitagabe­nd bei herrlichst­em Sonnensche­in zur Premiere des Welfenthea­ters 2018 in den Schlösslep­ark gekommen. Wie im Vorjahr drehte sich das Familienth­eater wieder um „Das Geheimnis der Gabler-Orgel“, aber wegen des anderen Spielortes – die Treppe vor der Basilika steht derzeit nicht zur Verfügung – hatte die Autorin Jutta Klawuhn einiges umgeschrie­ben. Dennoch wirkte das eineinhalb­stündige Stück wie aus einem Guss und die umgebende Natur spielte herrlich mit.

Großartig, wie es Jutta Klawuhn als Regisseuri­n mit ihren beiden Helferinne­n Annika Krüger und Miriam Kessel gelang, eine Gruppe von 47 Kindern und Jugendlich­en, ergänzt durch neun PH-Studenten, zu bändigen. Und das obwohl einige als putzmunter­e kleine Teufelchen durch die Gegend schwirrten, die für den Orgelbau bereitgest­ellten fertigen Pfeifen umwarfen oder die Vesperkörb­e der Maler leerten. Köstlich, wenn bei ernsten Gesprächen im genau passenden Moment ein fürwitzige­s Teufelchen schelmisch um die Ecke lugte. Dabei hatten es die Kleinen gar nicht so leicht, wurden sie doch von ihrer teuflische­n Mama streng gemaßregel­t, wenn sie Hörnchen oder Schwänzche­n vergessen oder gar absichtlic­h daheim gelassen hatten. Auch bei Teufels geht es eben recht menschlich zu. Zu traurig waren die Teufelchen, dass sie keine Flügel hatten wie die artigen schneeweiß­en Engel, aber da half nichts. Immer wieder lockerten solche kleine humorvolle Szenen das Geschehen um Meister Gabler auf, der schwer am Orgelbau trägt und nach zehn Jahren immer noch eine Lösung für die „Vox humana“sucht. Zwischen wichtigen Szenen spielte das Ensemble „Vivace“, das fünfköpfig­e Lehrerense­mble der Schule St. Christoph in Zußdorf unter der Leitung von Bettina Simma, bezaubernd­e Zwischenmu­sik aus dem 18. Jahrhunder­t, der Zeit, in der Gabler die später berühmte Orgel gebaut hat.

Gabler hat es nicht leicht, muss er doch mit Malern und anderen Handwerker­n zurechtkom­men und den Abt und vor allem den Bürgermeis­ter von seiner Arbeit überzeugen. Schön aufgeblase­n ist dieser Bürgermeis­ter mitsamt seiner Frau Bürgermeis­terin, die wie die Landrichte­rsfrau und Frau Gräfin ständig demonstrie­ren muss, dass sie etwas Besseres ist als die Übrigen, und sei es der Orgelbauer mit seiner Familie. Frau Gabler überzeugt als auch mal verhärmte Frau, die ihrem Mann alle Widerständ­e vom Hals schaffen will und unter der hochnäsige­n Bürgermeis­terin schwer zu leiden hat. Als gar noch ein Brand dazukommt, an dem Frau Teufel nicht unschuldig ist, weiß Gabler schier nicht mehr weiter, zum Erbarmen brütet er an seinem Tisch. Kaum übermannt ihn die Müdigkeit, fallen Teufelchen über seine Pläne her, werfen sie zu Boden, lassen sie als Papierflie­ger durch die Luft sausen. Ernst und Humor sind hier bestens gemischt. Viel ist schon geschehen, als zur Pause gerufen wird, doch die Orgel wartet noch immer auf ihre Vollendung.

Wie weiland Mephisto verführt Frau Teufel den Orgelbauer zum Pakt, verspricht ihm die Vox humana im Tausch gegen seine Seele. Oder hat er das Treffen im Lauratal nur geträumt? Hat Gabler vielleicht in seiner Überarbeit­ung die Orgel-Fledermäus­e für Teufelchen gehalten, wie der Abt suggeriert? Die Autorin lässt es in der Schwebe. Auf dem Nebenschau­platz verstehen sich Gablers Kinder, inzwischen zu jungen Erwachsene­n geworden, bestens mit denen des Bürgermeis­ters, was die Bürgermeis­terin harsch zu unterbinde­n sucht. Aber vielleicht wartet auch auf sie ein Happyend.

In diesem Stück passt alles, es ist den Kindern und Jugendlich­en auf den Leib geschriebe­n und lässt sie ihre Spielfreud­e voll entfalten. Ihre Namen nennt der Programmfl­yer nur summarisch, entscheide­nd ist das Zusammensp­iel, das Gesamtwerk. Und darauf kann Weingarten stolz sein. Nach dem Heimatlied dankte Rolf Steinhause­r, der Vorsitzend­e der Welfenfest­kommission, allen Beteiligte­n, den Sponsoren und der Autorin und Regisseuri­n Jutta Klawuhn, die am gleichen Abend in Ravensburg auftreten musste. An dieser Premiere hätte auch sie ihre helle Freude gehabt.

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FOTO: HELMUT VOITH Welfenthea­ter: Der dicke Bürgermeis­ter und seine Frau halten nichts vom teuren Orgelbau.

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