Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ein Kleinod singt in Weingarten
Sitze beim Auftritt der australischen Songwriterin „Kirbanu“bleiben trotzdem leer
WEINGARTEN - „Kirbanu“– so nennt sich die Sängerin und Songwriterin mit australischen Wurzeln – hat am vergangenen Wochenende in der Linse ein kleines, ja intimes Konzert gespielt. Keine zehn Zuhörer, inklusive Tontechniker und dem Leiter der Soziokultur der Linse, haben Kirbanus wunderbar vorgetragenen Lyrics, ihrem feinen Gitarrenspiel gelauscht.
Sie hat Deutsch auf der Straße in Mannheim gelernt, weiß, dass das Leben oft andere Pläne mit uns hat, und wenn sie singt, dann versinkt sie gleichfalls in ihren Strophen. Versonnen, wehmütig beklagt sie in „Old Friend“, dass sie ihn trotz aller Versprechen und Liebesschwüren aus den Augen verloren hat, bei „The Voice Inside“lässt Kirbanu ihrer inneren Stimme intensiven Raum. Aber es sind beileibe nicht nur die Texte, sondern vielmehr die verletzliche Seele, die aus ihren Zeilen spricht und vor allem ihre Stimme, die direkt in die Herzen der wenigen Zuschauer fließt.
Wohnzimmer-Atmosphäre
Manches Mal fragt man sich als Rezensentin, weshalb Veranstaltungen, die lediglich den Massengeschmack bedienen, besonders laut daherkommen und schon breit getretene Plattitüden noch weiter auswalzen, restlos ausverkauft sind – und Kleinod-Perlen wie Nicole Klein aka Kirbanu vor leeren Reihen spielen. Dabei macht die Künstlerin nicht einmal im leeren Kleinen Saal der Linse den Eindruck, als müsse sie sich durch den Abend zwingen. Kleines Publikum ist sie von Wohnzimmerkonzerten gewohnt, wie jüngst in Mannheim. Aber Kirbanu gibt auch auf großen Festivalbühnen den Headliner, verzückt Massen.
Innerhalb einer Woche, der Liebe wegen, habe sie „sich nach Deutschland umgezogen“, erzählt sie charmant. Um diese irre Zeit musikalisch zu verarbeiten, schrieb Kirbanu vor acht Jahren „Drifting“. Über das Gefühl, mit der Heimat auch die eigene Identität aufzugeben, zu mäandern zwischen dem Zelte abbrechen und im Ungewissen ankommen müssen. Verletzlich steht sie auf der Bühne, nur die Gitarre zwischen ihrem offenen Herzen und dem Publikum, singt von Menschen, die kommen und gehen, davon, wie die Zeit verrinnt.
Traurige und sentimentale Stücke fließen ihr scheinbar aus den Händen direkt in die Gitarrenseiten. Für glückliche Zeilen brauche sie manchmal Monate, gesteht sie. So wie für das Liebeslied für ihren deutschen Mann, für den sie „Wrapped in Your Love“geschrieben hat. Kirbanu hat dann doch noch „ein witzig Stück“dabei und auch „Closed Eyes“ist ein lebensfrohes Zeugnis der Erfahrungen der Weltenbummlerin. „,Closed Eyes’ kam zu mir, als ich in Indien auf dem Rücksitz eines Motorrads saß“, erklärt die Sängerin und man glaubt gerne, dass es genauso gewesen sein mag. Ein Musenkuss.
Irgendwann im Laufe der knapp 90 Minuten kommt unverhofft der Moment, in dem man sich fragt, ob dieser Abend, Kirbanus Vortrag, ebenso zärtlich und herznah gewesen wäre, wenn der Linse-Saal voll besetzt gewesen wäre. Kirbanu hätte es verdient. Zweifellos. Aber die Energie wäre eine andere gewesen. Also: Sorry, Kirbanu, für die leeren Stuhlreihen. Aber die, die dich gehört haben, sind froh, dass sie dich nicht mit anderen teilen mussten.