Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die kulturellen Aussichten: Bewölkt mit Aufklarungen
Zum Empfang versammelten sich zahlreiche Kulturschaffende in der Weingartener Linse
- Jedes Jahr gibt es um diese Jahreszeit, wenn das Kulturprogramm für die kommende Herbst/ Winter-Saison in Weingarten aufliegt, einen Kulturempfang, den die Stadt ausrichtet. Auch diesmal fand er wieder in der Linse statt, die für die geschlossene Gesellschaft von über 100 Gästen das Café für ein großes Buffet frei geräumt hatte.
Zu Beginn im Großen Saal Musik von einem jungen Duo mit dem ländlichen Namen „Die Bohnenstangenpartei“, das hier auf dieser Bühne vom Kulturkreis Weingarten beim Talentwettbewerb „Linseneintopf „entdeckt“wurde – ein Beispiel für überaus gelungene Integration und Weltläufigkeit. Dies alles im Allgäu, im Weiler Rempertshofen von Kißlegg, wo die Australierin Serena Engel und der US-Amerikaner Jared Rust seit ein paar Jahren Gemüse anbauen und dieses an ihre Besucher verschenken. Ja, richtig verstanden: verschenken!, auch die – für ihren Namen – so wichtigen Stangenbohnen, die ohne viel Zutun üppig wachsen. Die beiden haben aber darüber hinaus ihre Musik anzubieten, zwei gute, sich ergänzende Stimmen, Engels wandelbares Cello und das quasi „Einmannorchester“plus Verstärker von Jared Rust, der aus verschiedenen Rhythmusinstrumenten alles rausholt, was es für den Mix aus Blues, frühem Jazz und Folk braucht. Jede Menge lässiger Ulk, ein wenig Musikcomedy und die Vintage-Country-Klamotten bringen einen Gesamttouch von Kernseife und sonnenreifen Tomaten auf die Bühne.
Weniger jung war das zahlreiche Publikum, unter diesem viele Vereinsvorstände aus der Region und Gäste der Nachbargemeinden, die zum Abonnentenstammpublikum des Kuko gehören. Veranstalter, Ehrenamtliche, Kulturinteressierte und Kulturaktive, man kennt sich und begrüßt sich herzlich, ein Abend unter Bekannten mit der Aussicht auf ein paar gute Gespräche und ein appetitanregendes Buffet. Doch davor kamen noch die Reden. Gastgeber OB Markus Ewald versprach, sich kurz zu fassen, zumal er statt eines längeren Rückblicks lieber einen allgemeinen Ausblick auf die Zukunft richten wollte.
Hauptthema in dieser Zukunft sei die noch größere Ausrichtung des gesamten kulturellen Programms am Bedarf der Zuschauer. Dazu sei die Beauftragung der Agentur Culturelab aus Bludenz und ihres Geschäftsführers Christoph Thoma, der bereits für Chemnitz (etwa die zehnfache Einwohnerzahl von Weingarten) ein Kulturkonzept erstellt hat, vom Gemeinderat im Februar beschlossen worden. Für Weingarten erhoffe man sich, so Ewald, „Verbesserungen für die gesamte Kulturlandschaft“. Um das Konzept „Kultur für alle“zu erstellen, würden demnächst Befragungen aller Bevölkerungsgruppen durchgeführt.
Zwei Großgruppenveranstaltungen für die Vereine kündigte er zudem an, denn Kulturarbeit sei „Pflichtaufgabe für die Gemeinden“. Während die Klosterfestspiele Vergangenheit sind, seien die Weingartener Tage für Neue Musik im Gedenken an die 2017 verstorbene Rita Jans noch nicht ganz aufgegeben worden. Auf den verengten Finanzrahmen ging Ewald nur kurz ein, während der darauffolgende Redner Reinhold Schmid, Vorsitzender des Kulturkreises Weingarten, die Ausführungen um einige kritische Anmerkungen zur Struktur und Förderung der Veranstaltungen ergänzte und zum Beispiel die vielseitige Kulturarbeit der Linse und die Ausstellungen in der Kornhausgalerie in den Fokus hob. Zum Abschluss gab es, quasi als Apéro, noch einmal beschwingten Folk und Jazz im Stil der 1930er-Jahre.