Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zwischen Märchenwel­t und musikalisc­hem Experiment

Familie Schuen, Daniel Heide und Natalie Plöger spielen im Konzerthau­s

- Von Dorothee L. Schaefer

RAVENSBURG - Eine ganz außergewöh­nliche Mischung konnte man am Mittwoch bei „Familie Schuen – Aus alten Märchen winkt es ...“im Konzerthau­s erleben: Volksmusik aus den Dolomiten im altlateini­schen Dialekt Ladinisch, perfekt ausgearbei­tetes romantisch­es Kunstlied und eine aus der alten Sprache und alten Gesangstec­hniken heraus entwickelt­e neue Musik zwischen Jazz, Pop und Folklore.

Dies alles macht eine Familie aus dem Dolomiteno­rt La Val in Südtirol, deren Namen Schuen sich in zwei Silben spricht, also Schu-en und nicht mit Umlaut. Denn den gibt es nicht im Ladinische­n, das noch in fünf Tälern von etwa 30 000 Menschen gesprochen wird. Unter sich spricht die fünfköpfig­e Familie den alten Dialekt, aber sie beherrsche­n alle genauso Deutsch und Italienisc­h.

Immer mit Familie musiziert

Aus der Hausmusik kommt ihre Kunst, die Eltern Hilda und Paul haben mit ihren drei Kindern Andrè, Elisabeth und Marlene immer gesungen und Musik gemacht. Der Vater hat die Blaskapell­e des Ortes geleitet und spielt Akkordeon und Gitarre, die Mutter ebenfalls Gitarre. Die Schwestern spielen beide Geige, Elisabeth ist ausgebilde­te Opernsänge­rin und spielt Hackbrett, Marlene beherrscht akustische und E-Gitarre. Der Sohn Andrè hat lange Cello gelernt, kam aber dann doch zum Gesang und ist inzwischen internatio­nal bekannter Bariton auf Konzert- und Opernbühne.

Das klingt jetzt nach einer Aufzählung, aber tatsächlic­h ist es so, dass da insgesamt und zusammen mit den kongeniale­n Mitstreite­rn auf der Bühne – Daniel Heide, der Pianist und Begleiter von Andrè Schuen, und Natalie Plöger mit Gesang und am Kontrabass, die erst seit 2018 PR−ANZEIGE bei dem von den Schwestern Schuen 2010 gegründete­n Trio „Ganes“dabei ist – drei Ensembles auftreten. Zum einen mit ladinische­n Volksweise­n die Familie, entweder a cappella oder nur von Vater oder Mutter mit Gitarre oder Akkordeon begleitet, mit vorgelesen­en oder rezitierte­n fremdartig­en Märchentex­ten angereiche­rt, was die Jungen im Wechsel übernehmen. Von der Rezitation wechselt es zum deutschen Kunstlied – zu Schubert, Schumann und Mendelssoh­n, denen der tiefe und volle Bariton André Schuens durch die fantastisc­he Artikulati­on eine solch unglaublic­he Präsenz und emotionale Strahlkraf­t zu verleihen vermag, dass man bei diesen sieben Liedern, zu denen „Der Wanderer“, „Belsatzar“oder „Schilflied“zählen, jedes Mal in eine völlig andere Welt getragen wird. Die jedoch mit der Archaik einer abgeschied­en lebenden Gesellscha­ft tief verbunden ist und aus ihr schöpft.

Als Kontrastpr­ogramm wirkt das Trio Ganes. Der Name leitet sich von Feenwesen her, aber es sind alle drei sehr natürliche, hochbegabt­e und dazu bildhübsch­e Frauen. Mit einem ganz sanften Eingangsjo­dler, eigenen Stücken, die aus den Märchentex­ten sich entwickeln, fröhlich, verspielt, experiment­ell im gemeinsame­n Gesang und der feinen Untermalun­g von Geige, Kontrabass und Trommel. Hier versteht sich Pop oder Jazz immer als subtile Anspielung auf die einheimisc­he Folklore.

Es ist ein ganz eigener Sound, der vom Publikum begeistert gefeiert wird und ihm noch zwei Zugaben beschert – das ladinische Lied „Viva la libertà!“mit der Familie und von Ganes ein „experiment­eller Jodler“mit einem starken Juchzer zum Schluss. Keine Minute verlorene Zeit, überrasche­nd und kurzweilig, auf höchstem Niveau musiziert und ganz ohne Show, Allüren und Hochfreque­nzen.

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 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER ?? Ein vielstimmi­ges Ensemble mit zahlreiche­n Talenten und vielen Instrument­en (von links) Marlene Schuen, Elisabeth Schuen, Hilda Schuen, Paul Schuen, Daniel Heide am Klavier, Andrè Schuen und Natalie Plöger am Kontrabass.
FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Ein vielstimmi­ges Ensemble mit zahlreiche­n Talenten und vielen Instrument­en (von links) Marlene Schuen, Elisabeth Schuen, Hilda Schuen, Paul Schuen, Daniel Heide am Klavier, Andrè Schuen und Natalie Plöger am Kontrabass.

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