Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Macrons Vorstoß empört Erdogan
Die Türkei geht mit ihrer Syrien-Politik immer stärker auf Konfrontationskurs zum Westen. Präsident Recep Tayyip Erdogan wies am Freitag in scharfen Worten eine Initiative Frankreichs zur Stabilisierung der Lage im Norden Syriens zurück, wo türkische Truppen gegen die Kurdenmiliz YPG vorgehen.
Eigentlich hatte sich die türkische Regierung über einen Erfolg in Syrien freuen wollen: US-Präsident Donald Trump hatte den baldigen Rückzug der US-Truppen aus dem Bürgerkriegsland angekündigt; die USA arbeiten im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien eng mit der YPG zusammen. Ohne den Schutz durch die US-Truppen in Syrien wäre die YPG der türkischen Armee ausgeliefert. Allerdings widerspricht Trumps Stellungnahme der erst im Januar vorgestellten US-Strategie in Syrien, die auf einer langfristigen Militärpräsenz und einer engen Kooperation mit der YPG beruht. Viele USOffiziere in Syrien wollen die Zusammenarbeit mit der YPG fortsetzen.
Die türkische Freude über Trumps Syrien-Aussage währte ohnehin nicht lange. Die Nachricht von einem Treffen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron mit Vertretern der syrischen Kurden in Paris ließ in Ankara die Alarmglocken schrillen. Dass Macron in dem Gespräch die Vermittlung seines Landes zwischen der Türkei und den Kurden anbot, brachte Erdogan auf die Palme: „Wir brauchen keinen Vermittler“, sagte der türkische Präsident. Aus türkischer Sicht ist die YPG eine Terrororganisation, mit der man nicht verhandelt, sondern die man bekämpft. Kurdischen Angaben zufolge versprach Macron zudem, Frankreich werde sie gegen den IS und gegen „ausländische Aggressionen“schützen – eine Anspielung auf die Türkei. Einen zusätzlichen Truppeneinsatz in Syrien plant Frankreich nicht, schließt aber eine verstärkte Militärhilfe für die Kurden nicht aus.
Trotz aller Einwände des Westens will Erdogan seine Soldaten in Syrien nach der Einnahme von Afrin weiter Richtung Osten marschieren lassen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die Stadt Manbidsch, wo USTruppen zusammen mit der YPG stationiert sind. Östlich von Manbidsch, in den syrisch-kurdischen Städten Kobane, Ras al-Ain und Tel Abyad, haben laut Erdogan bereits türkische Militäraktionen zur Vertreibung der YPG begonnen. Insbesondere ein kurdischer Angriff auf Kobane wäre ein Affront gegen die USA: Die Kurden in Kobane hatten 2015 mithilfe amerikanischer Luftangriffe einen Angriff des IS zurückgeschlagen. Die Türkei hatte sich damals geweigert, den Kurden direkte Hilfe zukommen zu lassen.
Mit Russland und Iran arbeitet die Türkei in Syrien derzeit besser zusammen als mit ihren westlichen Partnern. Am Mittwoch will Erdogan mit den Staatschefs aus Moskau und Teheran, Wladimir Putin und Hasan Ruhani, über die Lage in dem Bürgerkriegsland sprechen. Allerdings ist auch das türkische Verhältnis zu Russland nicht problemfrei. Laut Medienberichten bereitet die syrische Regierung mithilfe Russlands einen Großangriff auf Gegenden der nordsyrischen Provinz Idlib vor, in denen sich islamistische Rebellen verschanzt haben. Die Kämpfe könnten eine neue Fluchtwelle in die nahe Türkei auslösen – was Erdogan unter allen Umständen vermeiden will.