Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wahre Helden im tröpfcheninfektiösen Getöse
Von richtigen Belegschaften kann derzeit in den stolzen Betrieben Oberschwabens kaum die Rede sein. Eher vom letzten Aufgebot, der Schar übrig gebliebener Aufrechter, die sich noch nicht von der triefnasig um sich greifenden Grippe – oder deren leichteren Geschwistern, den grippalen Infekten – haben aus den Büros schnäuzen lassen. Am Telefon ein akustisches Bild des Jammers: röchelnde Rachen, überschäumende Nasennebenhöhlen. In den Sanitärräumen stellen zutiefst um die Arbeitskraft ihrer Arbeitnehmer besorgte Arbeitgeber Spender mit Desinfektionsmittel auf, die guten Seelen. Durchhalteparolen allenthalben und überall dieser ätherische Geruch von Hustensirup.
Naturgemäß zwingt die an Sommerferien gemahnende Mitarbeiterflaute jene im Büro Ausharrenden zu Mehrarbeit. Damit bloß dieses launische Bruttosozialprodukt nicht auf dumme Gedanken kommt. Urlaube sind auf unbestimmte Zeit verschoben. Freie Tage warten vergeblich darauf, befreit zu werden.
Der einzige Ausweg aus dieser Mühsal ist ebenfalls eine grippale Erkrankung. Sich diese zuzuziehen ist für Menschen mit einem unverwüstlichen Immunsystem nicht einfach. Selbst wenn sie sich die Hände mit Absicht nicht waschen, sich mit zu Schlitzen verengten Augen in jedes donnernde Getöse eines tröpfcheninfektiösen Niesens stellen und schmierige Türklinken mit der Zungenspitze bedienen – bei manchen will es einfach nickt klappen. Das sind die wahren Helden unserer Zeit. Ihrer sollten wir gedenken, wenn wir das nächste Mal unsere Krankmeldung abgeben. (nyf )