Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Südwest-Abgeordnete hoffen auf schnelle Einigung
Die Reaktionen der Bundestagsabgeordneten aus der Region auf das Aus der Jamaika- Verhandlungen fallen unterschiedlich aus. Der Fraktionsvorsitzende der CDU/ CSU im Bundestag, Volker Kauder, aus Tuttlingen sagte, er sei enttäuscht, müsse die Entscheidung der FDP aber akzeptieren. „ Wir hätten ein gutes Programm bieten können, in Fragen, die seit Jahren umstritten waren.“
Laut seinem Parteikollegen Roderich Kiesewetter ( Wahlkreis AalenHeidenheim) haben alle Parteien im Bundestag die Verantwortung, eine tragfähige Regierung zu bilden. „Insbesondere SPD und FDP müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie dieser Verantwortung gerecht werden“, sagte er. Für den CSU- Abgeordneten und Bundesentwicklungsminister Gerd Müller ( Wahlkreis Oberallgäu/ Lindau) liegt die Verantwortung ganz klar bei der FDP. Kompromisse seien in der Politik unerlässlich. Und in einem Vierer- bündnis müsse man anderen weiter entgegenkommen als in einer Zweierkoalition.
Die Liberalen hätten darauf spekuliert, dass sich CSU und Grüne nicht einigen können, sagte Weingartens Bundestagsabgeordneter Axel Müller ( CDU). Als am Sonntagabend eine Einigung in greifbarer Nähe gewesen sei, habe die FDP die Reißleine gezogen. „ Sie haben gemerkt, dass sie zum jetzigen Zeitpunkt mit einer Regierungsbeteiligung überfordert wären“, so Müller. „ Die FDP hat sich aus einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung verabschiedet.“
Thomas Bareiß ( CDU, Wahlkreis Zollernalb- Sigmaringen) erwartet, dass sich die SPD zu ihrer Verantwortung bekennt und sich gesprächsbereit für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zeige. „ Ich weiß nicht, ob sie schuld sein will, wenn neu gewählt werden muss“, sagte er. Neuwahlen seien für ihn keine Alternative. „ Wir können nicht so lange wählen, bis das richtige Ergebnis kommt.“Agnieszka Brugger ( Grüne) aus Ravensburg sprach von „ Schmerzgrenzen“, über die die Grünen bei den Verhandlungen manchmal sogar hinausgegangen seien. „ Wahrscheinlich wäre sogar das Unmögliche gelungen und CSU und Grüne hätten sich beim Familiennachzug geeinigt. Die FDP hat das mit ihrer herzlosen und rechtsgerichteten Verweigerungshaltung übel torpediert.“Auch Kerstin Andreae ( Grüne) zweifelt am Willen der FDP: Lindner habe den Rückzug „ jedenfalls nicht mit harten Fakten hinterlegt.“Unter einer kommissarischen Regierung sei Deutschland ein „ Unsicherheitsfaktor in Europa“.
Laut Benjamin Strasser ( FDP, Wahlkreis Ravensburg) zeigten 120 Streitpunkte deutlich, „ wie weit eine Regierungsgrundlage entfernt war“. „ Verantwortung für unser Land und unsere Region“zu übernehmen sei in der Regierung leichter. Dennoch halte er „ den Gang in die Opposition“für den besseren Weg, wenn denn „ die inhaltlichen Schnittmengen nicht für eine gemeinsame Regierung reichen“. Hilde Mattheis ( SPD, Wahlkreis Ulm) hatte geglaubt, „ dass alle vier Partner dieses Bündnisses sehnsüchtig darauf gewartet haben, endlich wieder in der Regierung zu sitzen“. Sie stellte klar, dass die SPD trotzdem an ihrer Oppositionsrolle festhalte: „ Die SPD kann und darf jetzt nicht Steigbügelhalter für eine gescheiterte Kanzlerin sein.“Das sieht auch der SPD- Bundestagsabgeordnete Martin Gerster ( Wahlkreis Biberach) so und hofft, dass sich die vier Parteien besinnen und die Verhandlungen wieder aufnehmen. AfD- Co- Fraktionschefin Alice Weidel ( Wahlkreis Bodensee) spricht von „ Wählertäuschung“. Die Parteien hätten vorher gewusst, dass keine Einigung möglich sei, „ ohne die eigenen Wähler auch mit zu verraten“. Die AfD bereite sich auf die Oppositionsarbeit vor, freue sich aber auch auf mögliche Neuwahlen. ( sle/ fxh/ dik/ cg/ rut/ olli/AFP)