Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Bedingt alltagstauglich
Der Smart Fortwo Electric Drive eignet sich vor allem für den Stadtverkehr – Wenig Stauraum und Reichweite, viel Fahrspaß
Der Erstkontakt verläuft suboptimal, genauer gesagt, mit leichten Panikattacken: Nachdem der Smart Fortwo Electric Drive ordnungsgemäß mittels eines herkömmlichen Schlüssels gestartet worden ist, passiert erst einmal: nichts. Nur ein kurzer Warnton ist zu hören, der dem unerfahrenen Electric Driver anscheinend signalisieren will: Da stimmt etwas nicht, das Auto ist kaputt, zum Teufel mit der modernen Technik! Doch mit dem Wagen, besser dem Wägelchen, ist alles in Ordnung. Die an Motorgeräusche gewohnte Fahrerin tappt – wider besseren Wissens – in die stille Elektroautofalle.
Dabei ist der elektrisch angetriebene Fortwo bereits der vierte seiner Art, den Smart auf den Markt gebracht hat. Zur Stromer-Familie gehören neuerdings auch der größere Bruder Forfour und eine schicke Cabrio-Variante des Winzlings. Die Daimler-Tochter bereitet sich wohl – in Kooperation mit Renault – auf den Übergang zu rein elektrischen Fahrzeugen vor. In Ländern wie den USA und Kanada ist die Nachfrage nach Smart-Modellen mit Verbrennungsmotoren eingebrochen. Die Zukunft gehört also offenbar dem Akku. Mal sehen, ob dies auch zur oberschwäbischen Mobilitätswelt passt.
Geringe zu
Zulademöglichkeiten, geringe Batteriekapazität
In Ravensburg, Leutkirch, Wangen, wahrscheinlich weltweit, ist am Samstag bekanntlich Wertstoffhoftag – das mit dem Baden hat sich ja irgendwann erledigt. Und selbstredend muss der Großeinkauf für den Kleinhaushalt erledigt werden. Wenn das kein passender Einsatz für Smarti ist! Eine Ausfahrt in total urbanes Gelände, alle Ziele liegen im Umkreis von wenigen Kilometern. Doch der Zweisitzer schwächelt: In den Kofferraum passen in etwa, wenn Normal- und Schnellladekabel zu Hause bleiben, zwei Bierkisten, vielleicht noch einige Flaschen Wasser. Dann ist aber kein Platz mehr für Anzündeholz und Briketts – Elektroautofahrer wärmen ihre Höhlen wahrscheinlich anders – und den Wochenendeinkauf. Also bleibt der Smart beim nächsten Mal stehen, und der private Kleinwagenkombi mit Verbrennungsmotor erfüllt brav seine wöchentliche Pflicht.
Ebenso verhält es sich beim Kauf zweier Schaumstoffmatratzen für den Campingausflug und bei der spontanen Vergnügungsfahrt von Ravensburg nach Lindau, weil das Test-Wägelchen vorher nicht an der Steckdose hing. Elektroautofahrer müssen offensichtlich besser als Normalmobilisten planen, wann und wie sie mit ihrem Fahrzeug ihr Ziel erreichen wollen. Der Fortwo soll es dabei, wie auch schon sein Vorgänger, auf 160 Kilometer Reichweite bringen. Realistisch dürften, je nach Fahrstil, 110 bis 120 Kilometer sein.
Pressieren darf es dem Fahrer ohnehin nicht, sollte er einmal die Stadtgrenzen verlassen. Beim kurzen Spurt mit Tempo 120 auf der B30 zwischen Ravensburg und Weingarten geht die – im Auto übersichtlich angezeigte – Reichweite dermaßen schnell zurück, dass man reuig die erste Abfahrt nimmt und langsam im Eco Modus zurückschleicht. Der Lohn fürs Maßhalten: Die Rekuperation, also die Energierückgewinnung und damit das Wiederaufladen der Hochvoltbatterie wird verstärkt – und die Reichweite nimmt wieder zu. Dies lässt sich mittels mehrerer Instrumente verfolgen – auf einer speziellen Batteriestandsanzeige, der mit dem Lenkrad zu bedienenden Armaturentafel oder auch auf dem Multifunktionsdisplay. Sollte der Saft dann tatsächlich zur Neige gehen, kann der Smart in acht Stunden an einer normalen Haushaltssteckdose oder in vier Stunden an der Ladesäule vollständig wiederaufgeladen werden.
Die Reichweite – für die Hersteller von Elektromobilen ist dies ja ein leidiges Thema. Smart argumentiert damit, dass der durchschnittliche Kunde nur 35 Kilometer am Tag zurücklegt und deshalb drei Tage fahren kann, bis er wieder die Steckdose ansteuern muss. Im Klartext heißt das: Wer mehr von einem Auto erwartet, ist bei Smart offenbar an der falschen Adresse. In Metropolregionen oder auf Wohnmobil-Anhängern sind die Autos wahrscheinlich besser aufgehoben als in Gegenden mit geringerer Siedlungsdichte.
Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit: Denn auch in Städten wie Ravensburg absolviert man die Kurzstrecke bis zum nächsten Wald gerne im eigenen Fahrzeug – und der Stromer beruhigt das schlechte Umweltgewissen zumindest ein wenig. Auch die zwei Kilometer ins Büro sind mit dem Fahrrad an Regentagen kein Vergnügen, im Smart dagegen schon. Beim Ampelstart haben die großen Protze auf den ersten paar Metern keine Chance, Smarti geht nämlich ab wie Schmitz Katze. Und es macht einfach Spaß, wenn das Wägelchen durch die Kurven flitzt und mit einem Wendekreis von 6,95 Metern selbst um die engste Einfahrt herumkommt. Als der Kleinflitzer neben einem rund 100 000 Euro teuren Tesla hält, wird fröhlich gewunken und gehupt. Zwei Exoten im urbanen Dschungel – das geht ans Herz.
Letztlich ist es eine Frage des Geldbeutels, ob man für ein eingeschränkt alltagstaugliches Fahrzeug mit geringer Reichweite und mäßigem Platzangebot mehr als 20 000 Euro auf den Tisch zu legen bereit ist. Aber wer sich ein spaßiges Zweitwägelchen leisten kann, könnte am Smart Gefallen finden.