Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mehr Frauen bekommen Kinder
Statistiker sehen auch Familienpolitik als Grund für die Trendwende
BERLIN - Jahrzehntelang hatte die Kinderlosigkeit in Deutschland zugenommen, doch nun ist dieser Trend gestoppt. Etwa jede fünfte Frau bleibt kinderlos, die Quote ist in den vergangenen Jahren nicht weiter gestiegen, wie aus dem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Was sind die Gründe für das Ende des Trends? Und wird der demografische Wandel nun gebremst? Tobias Schmidt beantwortet die wichtigsten Fragen zur neuen Statistik über Kinderlosigkeit.
Wie hat sich die Kinderlosigkeit in Deutschland entwickelt? Vor 30 Jahren war etwa jede zehnte Frau kinderlos. Seitdem hatte sich die Quote der kinderlosen Frauen auf 21 Prozent verdoppelt. 2016 ist der Anteil der Frauen, die kein Kind bekommen, erstmals wieder leicht zurückgegangen und lag unter der Zahl von 2012. Deutschland gehört gleichwohl zu den Ländern mit dem höchsten Kinderlosen-Anteil in Europa und liegt in einer Gruppe mit der Schweiz, Italien und Finnland.
Worauf ist das Ende des Trends zurückzuführen? Zum einen bekommen wieder mehr Akademikerinnen Kinder. Zwar liegt in dieser Gruppe die Zahl der Kinderlosen über dem Schnitt, aber bei den Akademikerinnen im Alter von 35 bis 44 Jahren war sie um drei Prozentpunkte niedriger als 2012. Bei den in Deutschland geborenen Frauen mit nicht-akademischem Bildungsabschluss ist die Kinderlosigkeit hingegen weiter angestiegen, auf 22 Prozent. Bei zugewanderten Frauen ist die Kinderlosigkeit geringer. Die Stabilisierung der Quote sei dennoch nicht nur eine Folge der starken Zuwanderung, erklärte Georg Thiel, Vizepräsident des Statistischen Bundesamtes. Sie sei auch ein Beleg für „Veränderungen im Geburtenverhalten der Gesamtbevölkerung“.
Was sind die Ursachen? Als Gründe für die abnehmende Kinderlosigkeit macht das Statistikamt auch die Familienpolitik aus: Der Ausbau der Kleinkindbetreuung und das Recht auf einen Kita-Platz spielten vor allem für Akademikerinnen eine wichtige Rolle, erklärte Thiel. Ein Indiz: Seit 2008 hat die Erwerbsbeteiligung von Müttern mit Kindern im Krippenalter deutlich zugenommen. Ein weiteres Indiz: Akademikerinnen kehren nach einer Geburt schneller in den Beruf zurück und arbeiten häufiger in Vollzeit. 2016 arbeiteten 58 Prozent der Akademikerinnen wieder, wenn das jüngste Kind ein Jahr alt war – vier Punkte mehr als 2008.
Gibt es regionale Unterschiede? Die Unterschiede je nach Wohngegend sind erheblich. In den Stadtstaaten ist die Quote der Kinderlosen mit 28 Prozent am höchsten. Spitzenreiter ist Hamburg, wo 31 von 100 Frauen im Alter von 45 bis 49 Jahren ohne Nachwuchs sind. In den westdeutschen Flächenländern waren es 21 von 100 Frauen, in den ostdeutschen Flächenländern waren hingegen nur 12 von 100 Frauen kinderlos. Die Diskrepanz zwischen Stadt und Land war besonders in Bayern groß: In den Städten lag die Kinderlosenquote bei 30 Prozent, auf dem Land nur bei 15 Prozent.
Wie hat sich die Geburtenrate entwickelt? Die Zahl der Kinder pro Frau ist leicht angestiegen, auf 1,5. Sie hat damit ein Niveau erreicht wie zuletzt 1982. Unter den Frauen, die Kinder bekommen, ging die durchschnittliche Kinderzahl allerdings auch leicht zurück, von 2,03 auf 1,96 Kind je Mutter.