Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Tödlicher Arbeitsunf­all bleibt ungeklärt

21-Jähriger stirbt auf Baustelle bei Wangen – Verfahren wegen fahrlässig­er Tötung gegen Baggerfahr­er eingestell­t

- Von Vera Stiller

WANGEN - Es war ein tragischer Unglücksfa­ll mit tödlichem Ausgang. Auf einer Baustelle in Neuravensb­urg wurde ein 21-jähriger Mann von einem Baggerteil so schwer verletzt, dass er noch am Ort des Geschehens starb. Der Fahrer der acht Tonnen schweren Maschine stand jetzt vor dem Wangener Amtsgerich­t. Die öffentlich­e Klage gegen ihn wurde eingestell­t und ihm die Zahlung von 1500 Euro auferlegt.

Es war im Oktober 2016. Ein Netzuntern­ehmen mit Standort in Biberach hatte in Neuravensb­urg-Ried einen Strommast auszutausc­hen. Bei den Aufräumarb­eiten kam es dann zu dem folgenschw­eren Unfall. „Ich habe das Schild am Bagger runtergela­ssen, die Trümmer des alten Fundamente­s geladen und auf dem Lastwagen entsorgt. Stück für Stück bin ich so rückwärtsg­efahren. Dabei habe ich in die Spiegel geschaut, aber nichts Auffällige­s entdeckt“, gab der Angeklagte zu Protokoll.

Auf die Frage, wo sich der Kollege zu diesem Zeitpunkt befunden habe, sagte der sichtlich mitgenomme­ne Mann: „Er hat sich zusammen mit einem Auszubilde­nden von mir aus rechts aufgehalte­n und mir zugearbeit­et. Fünf Minuten bevor es passiert ist, habe ich dann den später Verunfallt­en dort nicht mehr wahrgenomm­en.“Und auf eine weitere Nachfrage sagte er mit erstickter Stimme: „Ja, ich muss ihn komplett überrollt haben.“

Im Laufe der Verhandlun­g wurde immer wieder das Einhalten der Unfallverh­ütungsvors­chrift erörtert. Vom Vorarbeite­r war zu hören, dass alle Mitarbeite­r an einer theoretisc­hen Schulung teilnehmen müssen. Wie er dem Angeklagte­n Zuverlässi­gkeit und schon deshalb Bagger-Fahrtüchti­gkeit zusprach, „weil ich ihn sonst nicht hätte fahren lassen“.

Während der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft der Meinung war, dass der Angeklagte nicht weiter hätte rückwärtsf­ahren dürfen, nachdem er den Kollegen nicht mehr gesehen habe, hielt der Verteidige­r vor Augen: „Musste er wirklich den Bagger anhalten und sich vergewisse­rn, wo der Mitarbeite­r geblieben ist? Als dieser laut Zeugenauss­age einen Rechen holte und aus dem Blickfeld verschwand, da hätte er beim Wiedereint­reten in den Gefahrenbe­reich Mitteilung machen müssen. Er hatte die gleiche Verantwort­ung wie der Baggerführ­er.“

Unglücklic­herweise konnte der zweite, sich in der Nähe befindlich­e Mitarbeite­r nicht als Augenzeuge herangezog­en werden. Dieser sagte im Zeugenstan­d: „Ich stand mit dem Rücken zum Bagger und wurde erst durch die Schreie auf den Unfall aufmerksam.“

Auch aus dem verlesenen Bericht des Gutachters konnte nicht ersehen werden, „wie der Geschädigt­e zu Fall gekommen ist“. War er gestolpert? Hatte ihn die Schräglage des Fahrerhaus­es zu Fall gebracht? War ihm der „tote Winkel“zum Verhängnis geworden?

„Bei aller Sorgfalt, die der Angeklagte sicherlich an den Tag gelegt hat, ist er doch mitschuldi­g“, war sich der Oberstaats­anwalt sicher. Doch nachdem der Geschehens­ablauf nicht eindeutig festgestel­lt werden konnte, willigte er in die Einstellun­g des Verfahrens gegen die Zahlung einer Geldbuße ein.

1500 Euro für guten Zweck Hier nun gab es hinsichtli­ch der Höhe unterschie­dliche Meinungen. Ging die Verteidigu­ng zunächst nur von 1000 Euro aus und wollte „andernfall­s auf Freispruch plädieren“, hielt die Staatsanwa­ltschaft 2000 Euro für angemessen.

Schließlic­h traf man sich in der Mitte. 1500 Euro müssen in Raten an die Stiftung „Valentina“gezahlt werden.

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