Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ravensburger erschaffen Luther-Oratorium
Michael Bender und Jochen Tolk komponieren Musikstück – Zwei Aufführungen im Oktober in der Stadtkirche
RAVENSBURG - Ein musikalisches Großereignis mit knapp 300 Mitwirkenden steht in Ravensburg in diesem Jahr bevor. Kirchenmusikdirektor Michael Bender und der ehemalige Dekan Jochen Tolk haben gemeinsam das Luther-Oratorium „Furchtlos und frei“geschaffen, das im Oktober an zwei Konzertterminen in der Stadtkirche aufgeführt wird. Neben verschiedenen Chören und Solisten wirkt die Kammerphilharmonie Bodensee-Oberschwaben mit.
Die Idee für das Oratorium anlässlich des Reformations-Jubiläumsjahr 2017 entstand bereits vor drei bis vier Jahren. „Ich habe schon mehrere Musicals und Opern für Kinder und Jugendliche geschaffen und wollte einmal in meinem Leben ein Oratorium komponieren“, erzählt Michael Bender. Doch bevor es losgehen konnte, brauchte er einen Text. Der kam vom ehemaligen Dekan Jochen Tolk, der mittlerweile im Ruhestand ist. Einen halbes Jahr lang schrieb der 73-Jährige an dem Textbuch. „Das war eine schwierige Sache, denn ich wollte den Luther beschreiben, wie er gedacht, gelebt und gelitten hat. Und gleichzeitig wollte ich vermitteln, dass es heutzutage ein fremder Mensch ist, der mit unserem Lebensgefühl nicht mehr übereinstimmt“, erläutert Tolk. „Michael Bender hat das musikalisch fantastisch umgesetzt“.
Zwei Jahre hat der Kirchenmusikdirektor, der eine 50-Stunden-Woche hat, vornehmlich in den Ferien an dem zweieinhalbstündigen Oratorium gearbeitet. „Das erste Jahr habe ich mich immer, wenn mir etwas einfiel, ans Klavier gesetzt und so vor ANZEIGE mich hin improvisiert. Das zweite Jahr habe ich intensiv daran gearbeitet“, beschreibt Bender den Entstehungsprozess. Als besonders herausfordernd empfand er die Abschnitte, in denen viel Text vorkommt. Im vergangenen Sommer stand das musikalische Hauptgerüst und Bender und Tolk haben gemeinsam Musik und Text an manchen Stellen überarbeitet und in Übereinstimmung gebracht. Herausgekommen ist ein Ergebnis, von dem beide überzeugt sind. „Es gibt viele Luther-Oratorien, aber dieses hier ist etwas ganz Spezielles und Neues“, sagt Tolk. Denn im Gegensatz zu den anderen Stücken soll dieses Oratorium nicht nur Luthers Werdegang darstellen. „Es transportiert die unglaubliche Spannung zwischen seiner Lebensgeschichte und der heutigen Sicht dazu. Da geht es phasenweise ganz schön zur Sache“, berichtet Tolk, der selbst als aktiver Sänger im Bachchor an der Aufführung teilhaben wird. „Aufwühlende und kontemplative Elemente“wechseln sich in dem Oratorium ab, ergänzt Bender.
Um die Spannung zwischen dem Damals und dem Heute deutlich zu machen, verbindet das Oratorium Klassik und Pop. So wechseln sich bereits im Prolog des Oratoriums Bachchor (Klassik) und Popularchöre ab. Die Moderne fällt der Historie sozusagen immer wieder ins Wort, kommentiert, kritisiert und zieht die Geschehnisse und Sichtweisen von damals infrage. „Am Ende des Stücks steht die Versöhnung. Jeder Zuhörer muss am Schluss selbst wissen, wie er von der Geschichte Luthers angesprochen wird“, erklärt Bender. Sieben verschiedene Choräle und unterhaltsame Elemente für die Kinderchöre gehören ebenso dazu wie Nummern für die Solisten.
Neben dem Bachchor, dem Gospelchor „Unity“, der Kantorei der Evangelischen Stadtkirche und dem Projektchor „Kantate zum Mitsingen“wirken Kinderchöre der evangelischen Singschule mit. Vier Solisten übernehmen einen Hauptpart. Als Orchester konnte Bender die Kammerphilharmonie BodenseeOberschwaben mitsamt Big-Band für das Oratorium gewinnen.
Die Proben mit den Chören haben nun begonnen. Vor der Aufführung wird es im Oktober noch ein ProbenWochenende geben sowie eine Generalprobe am Samstag vor dem ersten Konzert, bei der dann auch das Orchester dabei sein wird.
„Ich freue mich unglaublich darauf. Das wird eine ganz außergewöhnliche Aufführung werden“, sagt Tolk begeistert. Auch Bender fiebert dem „singulären Ereignis“entgegen, das er als Dirigent leiten wird. „Die Vielfalt und Anzahl der Mitwirkenden gemeinsam mit der Kammerphilharmonie – das ist in Ravensburg schon etwas Besonderes.“
Das Luther-Oratorium wird am Sonntag, 29. Oktober, und am Dienstag, 31. Oktober, in der Evangelischen Stadtkirche in Ravensburg aufgeführt. Konzertbeginn ist jeweils um 17 Uhr. Einen Einführungsvortrag (Bender und Tolk) zum Oratorium gibt es am 26. Oktober um 19.30 Uhr im Matthäus-Gemeindehaus, Weinbergstraße 12. Für die Aufführungen werden noch Sänger gesucht, auch für die Kinderchöre. Kontakt: Michael Bender, Telefon 0751/32889, E-Mail: bezirkskantorat@evkircherv.de