Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Irischer Freudentaumel in Lille
Die Boys in Green gewinnen sensationell gegen Italien und stehen erstmals im Achtelfinale
LILLE (SID/dpa) - Siegtorschütze Robbie Brady ließ sich mit Tränen in den Augen mitten im irischen Fanblock feiern, Trainer Martin O’Neill umarmte jeden seiner Spieler: Der erstmalige Einzug in die K.o.-Runde einer Fußball-EM löste bei den Iren einen wahren Freudentaumel aus. Brady traf spät: Erst in der 85. Minute sicherte er das 1:0 (0:0) gegen eine italienische B-Elf und bescherte Irland mit diesem unerwarteten Triumph am Sonntag in Lyon ein Duell mit Gastgeber Frankreich.
„Was für ein Tag. Wir haben Geschichte geschrieben und Millionen glücklich gemacht. Jeder einzelne hat seinen Beitrag geleistet“, sagte Brady, schüttelte den Kopf und fügte noch hinzu: „Was für ein Moment! Das ist unglaublich!“
Für Mitfavorit Italien war es hingegen vor dem Achtelfinal-Hit am Montag im Stade de France von Saint-Denis gegen Titelverteidiger Spanien der erste Rückschlag und Gegentreffer bei diesem Turnier.
Lautstark angefeuert von 25 000 Fans wollten die Iren mit allen Mitteln ihre letzte Chance auf die erstmalige Teilnahme an einer K.o.-Runde nutzen. „Du musst alles tun, was du kannst. Und wenn’s ein Foul sein muss, dann foul ihn“, hatte Irlands Co-Trainer Roy Keane vor Anpfiff gesagt. Entsprechend bissig begann das Team, kämpfte um jeden Meter und bot dem Vize-Europameister nach Kräften die Stirn.
Die Italiener überließen dem Außenseiter das Geschehen und hatten Glück, als Jeff Hendrick aus etwas mehr als 20 Metern knapp über das Tor schoss (9.). Insgesamt blieb die Begegnung aber auf einem schwachen Niveau – passend zum Rasen in Lille, der noch vor dem deutschen Achtelfinale am Sonntag gegen die Slowakei ausgetauscht werden wird.
Über weite Strecken galt das Motto: Italien will nicht, Irland kann nicht. Chancen resultierten daher meist aus Standardsituationen. So auch in der 21. Minute: Nach einem Eckball zwang Daryl Murphy Salvatore Sirigu zu einer Glanzparade. Der Keeper ersetzte den zuletzt grippekranken Gianluigi Buffon und war einer von gleich acht neuen Spielern in Contes erstaunlicher Startelf. Der Ex-Dortmunder Ciro Immobile hatte kurz vor der Pause noch die beste Chance der Italiener, sein Schuss strich knapp am Tor vorbei (43.). Viel mehr bekamen die Fans im Stade Pierre Mauroy nicht zu sehen.
Das änderte sich auch nach der Pause kaum. Ein wenig fürs Auge bot immerhin Italiens Simone Zaza, der in der 53. Minute eine Direktabnahme aus zwölf Metern knapp über das Tor setzte. Die Squadra Azzurra kam nun etwas besser im Spiel, ließ es aber – völlig untypisch – besonders in der Abwehr viel zu lässig angehen. Ein kurzzeitiges Chaos in der Hintermannschaft konnte Seamus Coleman aber nicht nutzen (57.).
„Die Iren haben mit Herz gespielt“In der Schlussphase setzten die Iren dann alles auf eine Karte, die Bemühungen blieben aber von Verzweiflung geprägt: Die Distanzschüsse verfehlten teils deutlich ihr Ziel, die zaghaften Kombinationsversuche versandeten. Stattdessen boten sich den Italienern nun Räume zum Kontern, dabei hatte der zwei Minuten zuvor für Immobile eingewechselte Lorenzo Insigne Pech mit einem Pfostenschuss (77.).
Doch dann glückte den Iren doch noch, womit kaum mehr jemand gerechnet hatte: das Siegtor. Brady war es. Per Kopf. Der Rest? Eine irische Party in Lille. Und sogar Italiens Leonardo Bonucci gab zu: „Wir hätten mehr tun müssen. Glückwunsch an Irland, sie haben mit Herz gespielt.“Und Italiens Trainer Antonio Conte meinte: „Ich kann meinen Jungs wenig vorwerfen. Es war eine sehr körperliche und sehr harte Partie auf einem Rasen der am Rande des Zumutbaren war.“
Italien: Italien: Sirigu - Barzagli, Bonucci, Ogbonna - Bernardeschi, ( 60. Darmian), De Sciglio ( 82. El Shaarawy) - Sturaro, Motta, Florenzi - Zaza, Immobile ( 74. Insigne). – Irland: Randolph - Coleman, Duffy, Keogh, Ward - McClean, McCarthy ( 77. Hoolahan) - Hendrick, Murphy ( 70. McGeady), Brady - Long ( 90. Quinn). – Tor: 0: 1 Brady ( 85.). - Schiedsrichter: Hategan (Rumänien). – Zuschauer: 44 268.