Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der Nachwuchs macht Hoffnung
In der Wilhelmsdorfer „Scheune“können Jugendliche Theaterspielen lernen
WILHELMSDORF - Es ist schon erstaunlich, zu wie viel Konzentration und fleißiger Arbeit Kinder und Jugendliche zu motivieren sind, wenn man ihnen einen Rahmen der Kreativität gibt und sie begleitet. Und das scheint dem Theater in der Scheune in Wilhelmsdorf und Theaterpädagogin Catriona Blanke zu gelingen.
Denn dass Theaterspielen nicht nur Spielen heißt, sondern vor allem Üben, Proben und Bastelarbeit, darüber können jetzt die achtzehn kleinen und größeren Schauspieler und Schauspielerinnen der Jugendspielgruppen „Barney kids" und „Barney teens" schon zum zweiten Mal aus eigener Erfahrung reden. Allein wäre das natürlich nicht zu schaffen gewesen, aber dank der Initiative von Catriona Blanke, die seit 2015 am Gymnasium Wilhelmsdorf tätig war, hatten sie eine hervorragende Mentorin; unterstützt wurde Blanke von Judith Hagen.
Seit Oktober 2015 wurde von jeweils neun Kindern und Jugendlichen ein Stück ausgedacht, Texte geschrieben, Musik ausgesucht oder komponiert, ein kleiner Film gedreht, leichte und schnell verschiebbare Requisiten gebaut und Kostüme genäht. Natürlich halfen auch die Eltern und der Kulturverein mit und standen mit Rat und Tat bei.
Das Fazit zuerst: Solch eine Initiative muss weitergehen, denn die Spielfreude aller und die überzeugenden Darbietungen in diesem Jahr wirkten herzerfrischend. Das ist in solcher Zeit auch nicht gerade selbstverständlich, in der es mal wieder nicht ganz leicht ist, jung zu sein. Aber nun endlich zu den Stücken: In „Die Rache der Spielzeuge" geht es um die Geschwister Sarah (Junia Bichler), Mira (Emelie Weber) und Paul (Rio Vermeiren) sowie die Welt ihrer Spielzeuge, die Ritter Henry Rotschwert (Luis Weber) und Gwain (Hannes Caspari), den Elfen Timo (Benedikt Merwerth) und die Fee Liana (Amelie Steinmann), die Piratenprinzessin Diana (Alina Krah) und den Henker Arthur (Tim Hügle). Sie alle erwachen in der Nacht und unter Blaulicht zu erstaunlichem Leben und beklagen sich über die schlechte Behandlung vonseiten der Kinder.
Die Jugendliche Sarah ist derweil schon in der Smartphone-Welt gelandet und sucht ständig Netzempfang. Aber das lassen sich die Spielzeugfiguren nicht bieten. Und so entfalten sie alle eine beachtliche Persönlichkeit – und da zeigen alle kleinen Darsteller doch richtig be- ANZEIGEN eindruckende Fähigkeiten: Die Fee Liana hat ein tolles Sprechtalent und kann markerschütternd kreischen, wenn sie rotsieht, dem Ritter Henry sitzt das Lachen in der Kehle, dem Ritter Gwain, der nur Englisch kann, knurrt immer der Magen und die Piratenprinzessin Diana spricht ein so liebenswürdig weiches Schwäbisch, dass es einem ganz gemütlich wird. Hübsche kurze Szenen in einem re- duziert pfiffigen Bühnenbild, das durch gute Lichteffekte und eingespielte Musik bis zum guten Ende berühren kann.
Das Stück „Opfer" der Älteren mit dem Thema Mobbing unter Jugendlichen war komplex angelegt mit drei Figuren – Heinrich (Noel Hagen), Steffi (Marisa Merwerth) und Valentin (Julian Letzner) und deren persönlichem Kontext in Schule und Fa- milie. Dazu mussten sechs der Gruppe in bis zu vier verschiedene Rollen schlüpfen – und das machten Jara Gruninger, Mose Ilyas, Jonas Krah, Mara Neitzel, Yoland Nies und Elias Redlich alle ziemlich genial.
Sehr kurze Szenen, oft nur eine Message oder ein Statement lang, untermalt von selbst geschriebener Klaviermusik von Ann-Kathrin Kretschmer, legten einen roten Faden der Handlung. Auch die Bühne war in ständigem Umbau, die Requisiten dabei so griffig, dass alles gut funktionierte.
Dieses Stück machte vor allem nachdenklich, denn der Selbstmord von Steffi, die sich niemandem außer Gott anvertrauen kann, nachdem ihr Freund Tobi sie mit einem Fotofake im Internet kompromittiert hat, geht an die Nieren. In den Figuren des einsamen intelligenten Heinrich und in dem vom Neid der anderen verfolgten Modelshootingstar Valentin steckte dann zum Schluss noch wenigstens etwas Hoffnung auf die so schwer zu erringende Empathie der anderen.
Der Kulturverein Scheune in Wilhelmsdorf freut sich über junge und ältere Theaterbegeisterte, neue Mitglieder und Förderer. Informationen und Kontakt unter www. kv- wilhelmsdorf. de