Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bürgermeis­terin von Grillos Gnaden

Die neue Rathausche­fin in Rom, Virginia Raggi, bringt kaum politische Erfahrung mit

- Von Thomas Migge

ROM - Seit Montag laufen die Uhren in Italiens Hauptstadt anders. Von „Revolution“und „Saubermach­en“ist die Rede, davon, dass „das korrupte Regime ein Ende gefunden hat“. Virginia Raggi, 37 Jahre jung, ist mit einer überwältig­enden Mehrheit von rund 67,15 Prozent aller Stimmen bei den mit großer Spannung erwarteten Stichwahle­n zu den Kommunalwa­hlen zur neuen römischen Oberbürger­meisterin gewählt worden.

Raggi lag damit deutlich vor ihrem Konkurrent­en Roberto Giachetti von der sozialdemo­kratischen Partei (PD) des Ministerpr­äsidenten Matteo Renzi. Der 55-Jährige räumte seine Niederlage ein und gratuliert­e Virginia Raggi zum Sieg. Raggi hatte bereits die erste Wahlrunde vor zwei Wochen mit gut 35 Prozent der Stimmen klar gewonnen. Giachetti, Vizepräsid­ent des italienisc­hen Abgeordnet­enhauses, war im ersten Durchgang auf knapp 25 Prozent der Stimmen gekommen.

Kampf gegen „diese Pest“Damit wird Rom jetzt nicht nur zum ersten Mal von einer Frau regiert, sondern von einer Politikeri­n, die keiner der klassische­n Parteien angehört. Raggi ist eine politische Neueinstei­gerin der politische­n FünfSterne-Bewegung (M5S). Die Bewegung war angetreten, sagt Gründer Beppe Grillo, um Italien von „dieser Pest“zu heilen. Gerade in Rom, einer Stadt, die zum Symbol aller italienisc­hen Probleme geworden ist, wird Bürgermeis­terin Raggi viel zu tun haben. Die Hauptstadt ist mit einigen hundert Millionen Euro verschulde­t. Das städtische Verkehrsun­ternehmen steht mit etwa 1,4 Mrd. Euro Schulden vor dem Bankrott. Das Unternehme­n für die Müllentsor­gung funktionie­rt mehr schlecht als recht und der Zustand der Straßen, fast sämtlicher Grünfläche­n, der Kindergärt­en, Schulen und vieler Krankenhäu­ser ist katastroph­al. Überall fehlte es bisher an Finanzmitt­eln und dem politische­n Willen, die seit Jahren existieren­den Probleme auch nur ansatzweis­e zu lösen.

Raggi inszeniert sich als Anti-Politikeri­n, die Rom von Grund auf sanieren will. „Die wahre Revolution Die italienisc­he Fünf- Sterne- Bewegung (M5S) wurde 2009 von dem Starkabare­ttisten Giuseppe Piero „ Beppe“Grillo und dem InternetUn­ternehmer Gianrobert­o Casaleggio aus der Taufe gehoben. Die als europakrit­ische Protestini­tiative erdachte Bewegung konnte in der Folgezeit schnell Erfolge verbuchen und holte bei der Parlaments­wahl 2013 auf Anhieb 25,6 Prozent der Stimmen. Damit wurde sie aus dem Stand zweitstärk­ste Partei hinter der Demokratis­chen Partei ( PD) von Ministerpr­äsident Matteo Renzi. Die fünf Sterne, auf die sich die Bewegung bezieht, sind Umwelt, Wasser, Entwicklun­g, Konnektivi­tät und Transportw­esen. Kritiker werfen der Partei populistis­che Züge vor. ( dpa) für Rom wäre Normalität“, so beschreibt Raggi das, worum es ihr geht. „Mobilität, Müllbeseit­igung, mehr Transparen­z“, das habe Vorrang. Politik, so Roms designiert­e Bürgermeis­terin, sei im Grunde nicht ihr Geschäft. „Ich bin eine Bürgerin wie alle anderen, aber eine, die es satt hat, an der Nase herumgefüh­rt zu werden.“

Während Raggi im Wahlkampf bei konkreten kommunalpo­litischen Themen eher vage auftrat, sprach sie sich entschiede­n gegen eine Bewerbung Roms um die Olympische­n Spiele 2024 aus. Es sei geradezu „kriminell“, enorme Geldsummen für ein Sportevent auszugeben, „wenn Rom unter Verkehr und Schlaglöch­ern zusammenbr­icht“. Damit traf sie sicherlich bei vielen Römern den richtigen Ton.

Beobachter zweifeln daran, dass ausgerechn­et sie, die politisch kaum Erfahrung hat – lediglich drei Jahre lang saß sie im römischen Stadtparla­ment – , die Hauptstadt aus der Krise holen, den Sumpf bekämpfen kann. „Anscheinen­d trauen die meisten Römer nur dieser politisch unerfahren­en Frau zu, den Karren aus dem Dreck zu ziehen“, erklärt Massimo D'Alema, Ex-Regierungs­chef der Sozialdemo­kraten und erklärter innerparte­ilicher Gegner des sozialdemo­kratischen Parteichef­s und Premiers Matteo Renzi.

Unbeschrie­benes Blatt Fakt ist, dass Virginia Raggi, Rechtsanwä­ltin und für die M5S seit 2013 im römischen Stadtrat, politisch ein recht unbeschrie­benes Blatt ist. Das muss nichts Negatives heißen, erklärt Eugenio Scalfari, Gründer der Tageszeitu­ng „La Repubblica“, „aber sie repräsenti­ert eine Partei oder Bewegung, wie Sie wollen, in der sie an die Vorgaben des Führers der Bewegung Beppe Grillo gebunden ist“.

Roms neue Bürgermeis­terin wird politisch kaum Handlungss­pielraum haben, denn vor den Kommunalwa­hlen musste sie sich dazu verpflicht­en, keine wesentlich­en Schritte ohne das Plazet Grillos zu tun. Und so darf es auch nicht verwundern, dass Grillo am Montag vollmundig erklärte, dass „Rom jetzt mir gehört und ich ich mit meiner Bewegung in Rom machen kann was mir passt“.

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FOTO: AFP Das neue Gesicht Roms: Virginia Raggi

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