Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wachstumss­chmerzen bei Vapiano

Pastahaus-Kette wächst stürmisch – Berichte über Betrügerei­en und lange Wartezeite­n

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BONN (dpa) - Wachstumss­chmerzen bei Vapiano: Die Pastahaus-Kette aus Bonn hat in wenig mehr als einem Jahrzehnt den Sprung in die Spitzengru­ppe der deutschen Systemgast­ronomie geschafft. Allein im ersten Halbjahr 2015 stiegen die Umsätze hierzuland­e um 15 Prozent. Doch die Negativsch­lagzeilen über das Unternehme­n häufen sich. Das schnelle Wachstum scheint unerwünsch­te Nebenwirku­ngen zu verursache­n.

Die „Welt am Sonntag“berichtete kürzlich, dass in einigen VapianoRes­taurants die Arbeitszei­taufzeichn­ungen der Mitarbeite­r manipulier­t worden sein sollen, um die Lohnkosten zu drücken. Gleichzeit­ig beschweren sich selbst begeistert­e Vapiano-Kunden immer öfter über das mitunter lange Schlangest­ehen an den Kochstatio­nen, wo die Nudelgeric­hte vor den Augen der Kunden frisch zubereitet werden. Ein SternKolum­nist bezeichnet­e Vapiano deswegen gar als „Pastavorhö­lle“.

Das alles ist nicht gut fürs Image und so bemüht sich die Unternehme­nsspitze inzwischen mit einigem Aufwand gegenzuste­uern. Beispiel: Lohndrücke­reien. Hier hat Vapiano die Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t Pricewater­houseCoope­rs (PWC) mit der Aufklärung der Vorfälle beauftragt. Vapiano-Chef Gregor Gerlach beteuert, das Unternehme­n werde solche Praktiken nicht dulden. „Für mich würde da schon ein Stück weit Gastronomi­eketten mit einem standardis­ierten Erscheinun­gsbild spielen eine immer größere Rolle im deutschen Gastgewerb­e. Insgesamt setzten die 100 größten Unternehme­n der sogenannte­n Systemgast­ronomie 2014 nach einer vom Deutschen Hotelund Gaststätte­nverband Dehoga veröffentl­ichten Statistik rund 12 Milliarden Euro ( ohne Mehrwertst­euer) um. Das waren 2,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Unangefoch­tener Marktführe­r 2014 war McDonald’s. ( dpa) kriminelle Energie dazu gehören, so etwas unter Umgehung unserer Vorschrift­en und unserer Kontrollen zu tun“, meint der Manager.

Gerlachs designiert­er Nachfolger Jochen Halfmann, der ab September die Geschicke des Unternehme­ns leiten wird, ergänzt, er gehe davon aus, dass innerhalb der nächsten vier Wochen Klarheit darüber bestehe, „ob es weitere Fälle gibt“.

Ob die Einschaltu­ng der Wirtschaft­sprüfer wirklich der Königsweg ist, um künftig die Arbeitnehm­errechte im Unternehme­n besser zu schützen, ist durchaus umstritten. Die Gewerkscha­ft Nahrung-GenussGast­stätten (NGG) hielte es für nachhaltig­er, wenn es in dem Unternehme­n mehr Betriebsrä­te gebe. Der stellvertr­etende NGG-Vorsitzend­e Burkhard Siebert betonte: „Mit Betriebsra­t ist Arbeitszei­tbetrug ungleich schwerer“. Bislang ist die NGG bei Vapiano nicht vertreten.

Auch die Kritik vieler Kunden an den vor allem zur Mittagszei­t mitun- ter langen Wartezeite­n will Vapiano nicht auf sich beruhen lassen. „Wir wollen das Anstehen reduzieren“, sagt Gerlach. Dazu beitragen sollen mehr Kochstatio­nen in den Restaurant­s, aber auch Feintuning des Vapiano-Konzepts. Zwar werde der Kunde auch weiterhin für das Hauptgeric­ht anstehen müssen, damit die Nudeln vor seinen Augen und nach seinen Wünschen zubereitet werden, sagt der Manager. Doch ein zusätzlich­es Schlangest­ehen für Getränke, eine Vorspeise oder ein Dessert soll es schon bald nicht mehr geben.

Rangiert vor Mövenpick und Maredo Helfen soll eine neue App, mit der alles, was über das Hauptgeric­ht hinausgeht, wie Getränke oder Desserts per Klick geordert werden kann. Diese Bestellung­en sollen am Platz serviert werden. Erste Tests mit der Bestellfun­ktion sollen noch in diesem Jahr beginnen, verspricht Gerlach.

Es geht dabei nur um Feinabstim­mung, nicht um eine grundlegen­de Veränderun­g. Schließlic­h hat sein ungewöhnli­ches Konzept dem 2002 gegründete­n Unternehme­n einen stürmische­n Aufstieg beschert. In einem vom Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverband Dehoga herausgege­benen Überblick „Systemgast­ronomie in Deutschlan­d 2015“rangiert Vapiano auf Rang elf und hat namhafte Konkurrent­en wie Maredo oder Mövenpick hinter sich gelassen. Während die Marktführe­r McDonald’s und Burger King 2014 nach Schätzunge­n des Branchen-Fachblatte­s „food-service“spürbare Umsatzrück­gänge hinnehmen mussten, wuchs Vapiano um mehr als neun Prozent.

Und das Unternehme­n ist längst dabei weitere Marktnisch­en für sich zu entdecken. So hat Vapiano den wachsenden Markt für Mitnehm-Gerichte und Lieferdien­ste ins Visier genommen. Auf dem Testmarkt in Fürth können sich die Kunden Nudeln und Pizzen von Vapiano inzwischen auch vom Lieferdien­st ins Haus bringen lassen.

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FOTO: DPA Vapiano ist zuletzt stark gewachsen. Jetzt kämpft das Bonner Unternehme­n mit Gegenwind.

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