Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Im „Neuland“mit jungen Wählern
Beim Interview mit Youtube-Star „LeFloid“spricht Angela Merkel über Cannabis und ihre Freizeitgestaltung
BERLIN - Am Ende wirkt LeFloid fast ein wenig besorgt. Griechenlandkrise, Ukrainekrise – ob da eigentlich noch Kraft da sei, wenn sie abends nach Hause gehe? „Ich freue mich manchmal schon auf einen freien Samstag oder auf einen Tag, wo man ausschlafen kann“, verrät Angela Merkel. Darauf, rauszugehen in den Garten, einen Spaziergang oder beim Kochen den Kopf frei zu bekommen. LeFloid fragt nach: „Also ist noch genug Power da?“„Ich hoffe ja. Ich denke ja“, sagt die Kanzlerin und strahlt.
Dann sind die 30 Minuten auch schon vorbei – Ende des Interviews. Ein kurzer Händedruck, das war’s. Die Kanzlerin im blauen Blazer und weißer Hose, LeFloid im modischgrauen T-Shirt und Baseball-Mütze. Am vergangenen Freitag hatten sich beide bereits in Merkels Büro zum Gespräch getroffen. Gestern dann die von der Fangemeinde mit Spannung erwartete Ausstrahlung.
Ernste Themen wurden besprochen: Homo-Ehe, NSA-Affäre, bundeseinheitliches Abitur und Cannabis-Legalisierung standen auf dem Programm. Das Gespräch bleibt ernst. Keine schnellen Schnitte, keine hektische Sprache, keine nicht ernstgemeinten Fragen wie „Xbox oder Playstation?“, die vorher im Netz vorgeschlagen worden waren. Dennoch ist das halbstündige Gespräch kurzweilig. Nicht weniger als ein Aufeinanderprallen völlig verschiedener Welten war im Vorfeld erwartet worden. Auf der einen Seite die Bundeskanzlerin Angela Merkel, für die das Internet noch vor zwei Jahren „Neuland“war. Auf der anderen Seite LeFloid, mit bürgerlichem Namen Florian Mundt - einer der erfolgreichsten deutschen YoutubeStars.
Seinen Kanal abonnieren über 2,6 Millionen Menschen. Der 27-Jährige kommentiert zweimal wöchentlich aktuelle Themen der Weltpolitik, Wissenschaft und Kultur – immer schulhoftauglich, gerne flapsig. Jetzt das Interview mit der Kanzlerin. Ein Ritterschlag für LeFloid – und für Merkel eine gute Gelegenheit, jüngere Menschen zu erreichen. Authentizität ist da wichtig. Er sei nicht bezahlt worden, stellt LeFloid im Interview klar. Die Fragen, die ihm teilweise die Netzgemeinde lieferte, bekam das Bundespresseamt vorab nicht zu sehen.
Mundt studiert Psychologie, im klassischen Journalismus hat er nie gearbeitet. Kann man Angela Merkel so auf den Zahn fühlen? „Provozieren ist etwas, das ich gerne mag“, hat er mal in einer Talkshow gesagt. Während des Gesprächs fällt das kaum auf, höflich arbeitet er seinen Fragenkatalog ab. Warum keine Homo-Ehe? „Für mich persönlich ist Ehe das Zusammenleben von Mann und Frau“, sagt Merkel. Haben Sie Angst vor einem neuen Nationalismus? Da müsse man den Anfängen wehren – gerade im Internet. Dort dürfe man nichts bagatellisieren, so Merkel. Mundt ist überzeugt, nickt oft, stimmt „Frau Bundeskanzlerin“, wie er Merkel respektvoll nennt, häufig zu. „Absolut“, „genau“, „sehr cool“, hört man mehrmals. Der Interviewer, Selbstbeschreibung „eher links“, scheint von der CDU-Chefin begeistert.
Auch wenn Merkel mal streng wird, kann LeFloid das verstehen. Von der Legalisierung von Cannabis halte sie gar nichts, sagt Merkel scharf. „Ich bin davon auch gar nicht betroffen“, sagt LeFloid. Nachfragen stellt er kaum. Die Reaktionen im Netz sind nach dem Interview gemischt. „Etwas mehr LeFloid-Spaß hätte dem Kanzleramt gut getan“, twittert ein Zuschauer„Laaaaaaaangweilig“findet ein anderer. Allerdings: in der ersten Stunde nachdem das Video Abends online ging, klickten auf YouTube fast 40 000 Menschen den „Gefällt mir“-Button.
Das ganze Interview und die besten Zitate der Bundeskanzlerin gibt es unter: www. schwaebische. de/ lefloid- merkel