Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schulterschluss statt Schüsse aus der Hüfte
Das Feuchtgebiet über Edmonton war nicht ganz so groß wie das vier Jahre zuvor bei der Heim-WM in Wolfsburg, aber bekannt kamen einem die Bilder nach dem 0:1 gegen England schon vor. Anders als damals beim 0:1 im Viertelfinale gegen Japan reichte es für die deutschen Fußballfrauen diesmal immerhin ins kleine Finale, aber man kann nicht guten Gewissens behaupten, dass der Weltmeister der Jahre 2003 und 2007 in den vier Jahren seit 2011 entscheidend vorangekommen wäre. Sylvia Neid zählt ihr Team zu den besten vier der Welt, mag damit recht haben und braucht sich mit ihrer Mannschaft gewiss nicht zu verstecken. Die Unterschiede zwischen den Besten sind gering: ein verschossener Elfmeter hier, ein dummes Foul da. Aber wenn man unter den vieren mal wieder auf überzeugende Art die Spitze erklimmen möchte, dann muss sich einiges ändern. Vor allem müssen dann die Kräfte gebündelt werden, statt bei jeder Gelegenheit aus der Hüfte auf die Mannschaftsführung zu schießen und damit ähnliche Gegenreaktionen zu provozieren.
Neid wird sich noch bis Rio 2016 mit den Bundesligatrainern herumärgern müssen, ehe die Trainernovi- zin Steffi Jones ihren Job übernimmt. Ob das die klügste Entscheidung des DFB war, wird sich zeigen – man hätte auch auf mehr Erfahrung setzen können. Jones Einstand könnte noch schwieriger werden, sollte es Neid gelingen, ihre zuletzt dürftige WM-Bilanz mit dem Olympiasieg vergessen zu machen. Nach dieser WM allerdings mag man daran nicht so recht glauben. Zu eklatant war der Mangel an Esprit im Spielaufbau und an Cleverness im Abschluss im deutschen Spiel. Sobald der Gegner auf Augenhöhe Widerstand leistete, fiel das Toreschießen über die Maßen schwer.